Bernhards Wirtshäuer: Der Brandlhof in Wolfsegg
Der Brandlhof in Wolfsegg ist an diesem Sonntag sehr gut besucht. Die Menschen kommen aus der Umgebung, aber auch von weiter her. Sie wissen, dass es sich hier vortrefflich essen lässt, schätzen die Freundlichkeit. Viele Wolfsegg-Besucher wandeln, wie gesagt wird, auf den Spuren von Thomas Bernhard (1931– 1989). „Sie kommen busweise“, sagt Seniorchef Alfred Morth (68).
Gefragt nach seinen Erinnerungen an den Schriftsteller, der oft zu Gast war, habe er eine kürzere und eine längere Version parat. Eine mittellange: Morth und seine Frau Helga (65) haben sich im Hotel Sacher in Wien lieben gelernt, wo sie seinerzeit gearbeitet haben. Dort ist ihnen auch Thomas Bernhard begegnet. Der habe irgendwann erklärt, dass er für längere Zeit nicht mehr kommen werde. „Herr Bernhard, wo fahren Sie denn hin?“ „Das werden Sie nicht kennen. Nach Ottnang, in der Nähe von Vöcklabruck.“ „Und wo werden Sie dort essen?“ „Beim Brandl in Wolfsegg.“ Er habe nicht verraten, dass er mit der Tochter des Hauses liiert war, erzählt Morth. Später, nachdem die beiden 1984 das Gasthaus übernommen hatten, kam Bernhard eines Tages zur Tür herein und war erstaunt: „Was machen Sie denn hier?“ Es folgten viele weitere Begegnungen.
Der Stammplatz
Bernhards Stammplatz war ein kleiner Tisch in einer intimen Ecke rechts vom Eingang. Bilder an den Wänden erinnern an ihn. In einer Vitrine werden weitere Devotionalien aufbewahrt, etwa die Widmung im Roman „Auslöschung“: „Für Helga Morth und den exzellenten Brandlwirt, Thomas Bernhard Oktober 1986“. In diesem, im über dem Ort thronenden Schloss angesiedelten Werk lässt Bernhard den Icherzähler das „immer nervenberuhigende Gasthaus Brandl“ loben. Auch Maria Holzinger, der vergangenen Dezember verstorbenen Kellnerin, die ihn viele Jahre lang bediente, schenkte Bernhard ein Buch samt Widmung: „Dem lieben und unentbehrlichen Fräulein Mitzi, mit meinen besten Wünschen.“
Familienbetrieb in vierter Generation
Der Brandlhof ist ein Familienbetrieb in vierter Generation, wird mittlerweile von Katharina Morth (28) geführt. Sie ist für die Küche verantwortlich, Schwester Elisabeth (40) managt das Service. Es sei nicht mehr selbstverständlich, dass die Kinder weitermachen, sagt der Vater erfreut und auch stolz. Ehefrau Helga und er unterstützen die Töchter nach Kräften. Elisabeth hat schöne Kindheitserinnerungen an den berühmten Gast. Sie sei, erzählt sie, mit fünf Jahren nach Wolfsegg gekommen, als die Eltern von Wien hierherzogen. „Ich habe niemanden verstanden, außer Herrn Bernhard.“ Er habe mit ihr „Mensch ärgere dich nicht“ gespielt und auch gezeichnet. „Er war immer sehr genügsam, ist stundenlang dagesessen und hat beobachtet.“ Beim Brandl hat er sich offenbar wohlgefühlt, hat er persönliche Nähe geduldet und durchaus gesucht, die er anderswo strikt abgelehnt hat.
„Ein Gasthaus ist wie eine Bühne“, sagt Alfred Morth. „Essen kann man überall, doch die Gäste möchten sich auch wohlfühlen und Spaß haben.“ Der gebürtige Mödlinger hat seine Rolle verinnerlicht, sein Auftritt ist perfekt: Gilet, silbergraue Krawatte, hintergründiger, unaufdringlicher Humor. Das dürfte dem Theatermann Bernhard gefallen haben. „Er hat mir alles Mögliche erzählt, aber immer nur von sich aus. Er wollte nie angesprochen werden.“
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