Pensionistin als Lesecoach: "Gigantisch, wie schnell Kinder lernen"

Geduld und Kreativität bringt Silvia Wenzelhuemer mit, wenn sie ihre Schützlinge in der Volksschule besucht.
Die Konzentration ist nicht immer da: „Kein Wunder, an einem Freitag in der 5. Schulstunde.“ Dann lässt sich Silvia Wenzelhuemer was Besonderes einfallen, damit ihre Schützlinge nicht sitzen müssen, sondern mit und durch Bewegung lernen können.
Die 62-Jährige hat gerade ihr drittes Schuljahr als Lesecoach begonnen. Das Projekt ist eine Initiative des Roten Kreuzes OÖ und greift dort, wo das Schulsystem überfordert ist. In Klassen mit mehr als 20 Kindern ist es Lehrkräften meist unmöglich, auf die individuellen Bedürfnisse von Kindern einzugehen.
Dichter Schulalltag
Speziell jene, die mehr Zeit und Aufmerksamkeit brauchen würden, kommen da oft zu kurz. Lesen lernen braucht Geduld und Zeit. Beides ist im dichten Schulalltag nicht im Überfluss vorhanden. Deswegen bietet das Rote Kreuz Schulen diese Unterstützung der Ehrenamtlichen an.
Die Lehrkräfte entscheiden, welche Kinder diese Förderung in Anspruch nehmen sollen.
Silvia Wenzelhuemer ist zwei Stunden pro Woche in einer Volksschule in Eferding. Je zwei Kinder betreut und begleitet sie jeweils eine Stunde lang. „Es ist gigantisch, wie schnell Kinder lernen“, sagt sie, wenn man sie nach den Erfolgen und Fortschritten fragt.
Eine umtriebige Pensionistin
Mit Spielen, Materialien und Texten rückt die umtriebige Pensionistin an. „Die beiden Drittklässler, die ich unterstütze, mögen Fußball. Dann suche ich eben Texte über Messi und Ronaldo aus. Da sind sie gleich viel motivierter bei der Sache.“
Kurz vor der Pensionierung las die Oberösterreicherin, die in der Personalverrechnung eines Unternehmens tätig war, von der Aktion. Schnell war klar: „Das werde ich machen, wenn ich in Pension bin.“
Sie ist eine von 530 Ehrenamtlichen, die sich in OÖ am Projekt beteiligen. „Es können natürlich immer mehr sein. Wir freuen uns über jede Person, die sich engagiert“, sagt Gottfried Hirz, Präsident des Roten Kreuzes OÖ. Je mehr Ehrenamtliche, desto flächendeckender könne die Leseunterstützung angeboten werden.

Je mehr Ehrenamtliche, desto größer die Wirkung: Gottfried Hirz ist Rot-Kreuz-Präsident in OÖ.
„Umarmungen, Zeichnungen, kleine Briefe – die Kinder zeigen mir, dass sie sich freuen über meine Anwesenheit“, schildert Wenzelhuemer. Auch vom Lehrerkollegium gibt es Wertschätzung für das Ehrenamt: „Es ist schön, etwas Sinnvolles zu tun“, erklärt die 62-Jährige ihre Motivation.
Zu sehen, wie Kinder, in deren Familien Lesen und Vorlesen keinen hohen Stellenwert haben, plötzlich verstehen, warum diese Fähigkeit entscheidend ist, sei schön. „Wenn ich sie frage, warum es wichtig ist, lesen zu lernen, kommen tolle Antworten.“
Programm läuft seit 2018
Natürlich sei oft Geduld gefordert, vieles müsse wiederholt werden. „Darauf stelle ich mich vorab ein, das ist halt so.“ Seit 2018 ist das Rote Kreuz OÖ mit freiwilligen Lesecoaches aktiv. Aktuell sind es 530 an 200 Schulstandorten. Sie arbeiten eng mit Schulen und Eltern zusammen.
Die Ausbildung dauert zwei Tage, jeder kann sie machen. Lesecoaches treffen sich regelmäßig (mindestens einmal pro Woche), um mit einem Kind zu lesen oder zu lernen. Sie begleiten es bei der Verbesserung seiner Lese-, Lern- und somit Lebenskompetenz.
Zudem gibt es seit 2023 die Rotkreuz-Lerninsel in Traun, wo 22 Schülerinnen und Schüler aus den umliegenden Schulen betreut werden. Ihre Geschichten sind unterschiedlich. Es sind Volksschulkinder aus bildungsfernen Familien, andere mit Fluchtgeschichte, die erst seit wenigen Monaten in Österreich sind.
Und dann gibt es Kinder, die hier geboren sind, aber trotzdem keine Unterstützung beim Lernen bekommen. Für die Rotkreuz-Lerninsel gab es 2024 den Landespreis für Integration.
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