"Das Ministerium muss nicht alles entscheiden"
Doris Hummer (40) ist seit 2009 Landesrätin für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Frauen und Jugend. Die gebürtige Grieskirchnerin ist die erste Frau, die es auf Seiten der ÖVP in die Landesregierung geschafft hat. 2012 kam Hummers erster Sohn Felix auf die Welt.
KURIER: Sie haben in den vergangenen drei Jahren 68 Pflichtschulen in Oberösterreich geschlossen. Ist die Schulreform damit abgeschlossen?
Nein, die Optimierung der Schulstruktur geht kontinuierlich voran. Heuer und 2015 werden weitere Standorte geschlossen und zusammengelegt. Teilweise sind auch bauliche Maßnahmen notwendig.
Was bringt die Schulreform?
Wir spielen damit pädagogische Ressourcen für den Unterricht frei. Wenn wir zum Beispiel in einer Gemeinde zwei zweiklassige Volksschulen zu einer zusammenführen, haben die Lehrer ganz andere Möglichkeiten beim pädagogischen Angebot. Es braucht auch nur noch einen Direktor. Auch bei den Liegenschaften kann viel optimiert werden. In Pregarten ist nach der Zusammenlegung ein modernes Schulzentrum entstanden. Zwei neue Schulgebäude hätten uns 1,5 Millionen Euro mehr gekostet.
Lassen sich die Effekte der Reform finanziell beziffern?
Für die einzelnen Standorte schon, aber nicht im Gesamten, weil wir die freigewordenen Mittel wieder investiert haben. Es geht ja nicht ums Sparen, sondern um eine intelligente Verwendung von Ressourcen.
Ab Herbst gibt es in Oberösterreich Neue Mittelschulen mit einem technischen Schwerpunkt. Was erwarten Sie sich von dieser Profilschärfung?
Derzeit schaffen wir es noch nicht, genügend Jugendliche für technische und naturwissenschaftliche Fächer zu begeistern. Das sehen wir bei den Studienzahlen und den Lehrberufen. Mit dem Schwerpunkt an den Neuen Mittelschulen wird eine Lücke geschlossen, weil es eine technische Orientierung im Mittelschulbereich bisher noch nicht gab.
Wie sieht das Angebot konkret aus?
Es geht um Talente- und Stärkenorientierung. Kinder sollen sich entsprechend ihrer Begabungen weiterentwickeln können.
Der Lehrplan wird nicht geändert.
Nein, es werden zusätzliche Angebote geschaffen. Es gibt vorerst drei Pilotstandorte in Wels, Grieskirchen und Ried. Begleitend dazu entwickelt ein Beirat aus Wissenschaftern, Unternehmern und Pädagogen ein Konzept für ganz Oberösterreich, das regionale Besonderheiten zulässt. Wir wollen Talente, die vorhanden sind, entdecken und fördern. Das ist für den Wirtschaftsstandort ganz wichtig.
Mit Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) sind Sie immer wieder auf Kriegsfuß, zuletzt beim Pisa-Test. Auch nach dem Schulgipfel in Linz haben Sie von einer oberflächlichen Diskussion gesprochen, die Ministerin von konträren Standpunkten. Warum kommen Sie mit ihr so schwer auf einen grünen Zweig?
Das sehe ich gar nicht so. Wir haben unterschiedliche Standpunkte. Es hat mich gefreut, dass die Ministerin viele ihrer Entscheidungen zurückgenommen hat, weil sie falsch waren. De Einsparungen im Schulbereich und das Aussetzen von Pisa zum Beispiel. Beim Schulgipfel hätte ich mir konkretere Vorschläge für die Schulautonomie und für eine Schulverwaltungsreform gewünscht. Das war leider nicht der Fall. Das Ministerium wollte sogar noch mehr Kontrolle. Bis September werden jetzt fünf Arbeitsgruppen konkrete Vorschläge für eine Schulreform erarbeiten. Ich bin sehr zuversichtlich. Ich erwarte mir von der Ministerin mehr als eine Klein-Klein-Reform.
In welchen Bereichen brauchen die Länder mehr Kompetenzen, in welchen die Schulen selbst?
Ich will klare Zuständigkeiten. Wir haben derzeit so viele Doppelgleisigkeiten, so viele Bereiche, für die man vor Ort verantwortlich ist, die man aber nicht entscheiden darf. Die Einstellung eines Schulwarts muss nicht vom Ministerium genehmigt werden, dass kann auch der Direktor machen. Den Schulen wird vorgegeben, ob sie zehn Minuten Pause machen dürfen oder doch 15. Diese Kleinstregulierungen sind sinnlos. Wir haben teilweise eine Schulpolitik von vorvorgestern. Es braucht eine klar definierte Aufgabenverteilung zwischen Schule, Land und Bund. Es ist nicht unserer Wunsch, ein neues Schulsystem zu machen. Das darf ruhig einheitlich sein, aber die Umsetzung muss vor Ort erfolgen.
Der Bund muss also keine Angst vor einer Verländerung der Schule haben?
Es wird keine Verländerung geben. Ich bin für eine mittelbare Bundesverwaltung. Ein vom Bund gesteuertes System, das vor Ort geregelt wird.
Sie haben sich vor Kurzem mit einer Delegation das finnische Bildungssystem angeschaut. Was hat Sie am meisten beeindruckt?
Die Wertschätzung und die Attraktivität des Lehrerberufs und die Autonomie der einzelnen Schulen. In Finnland ist ein Direktor für Personal und pädagogische Zielsteuerung zuständig. Beeindruckend ist auch die Qualität der Lehrerausbildung und die hohe Zahl der Berufsinteressenten. Die Finnen können sich die besten Lehrer aussuchen.
Was könnte man von den Finnen bei der Lehrerausbildung übernehmen?
Finnland legt großen Wert auf die Wissenschaftlichkeit des Unterrichts. Ein Lehrer hat immer auch die Fähigkeit, seinen Unterricht zu reflektieren. Der weiß auch, warum etwas gelingt und warum nicht. Es gibt eine enge Verflechtung zwischen Unis und Schulen, es gibt eine laufende Weiterbildung.
Und bei der Auswahl für die Lehrerausbildung?
Es sollten nicht alle aufgenommen werden, nur weil wir viele Junglehrer brauchen. Ich halte entsprechende Weisungen des Ministeriums für verfehlt. Wir brauchen die Richtigen in der Schule, die sowohl fachlich als auch pädagogisch hoch qualifiziert sind.
Zur Forschung. Sie wollen die Forschungsquote bis 2020 auf vier Prozent des BIP erhöhen. Halten Sie an diesem Ziel fest, auch wenn neue Sparzwänge auf uns zukommen?
Definitiv. Die Sparzwänge gibt es ja schon. Auch der Landeshauptmann steht voll hinter diesem Ziel. Wir können diese hohe Forschungsquote aber nur gemeinsam mit den Unternehmen erreichen. Sie erbringen 80 Prozent der Forschungsleistung.
Bei der Grundlagenforschung hat Oberösterreich Nachholbedarf.
Wir haben keine Volluniversität, daher sind wir bei den Budgets benachteiligt.
Laut einer aktuellen Statistik haben im Jahr 2012 75.000 Jugendliche in Österreich ihren Bildungsweg vorzeitig abgebrochen. Das sind 7,9 Prozent der 15- bis 24-Jährigen, also knapp jeder Zwölfte. Wie kann es gelingen, diese Jugendlichen im System zu halten und doch noch zu einem Bildungsabschluss zu führen?
Ich halte den Weg von einer Ausbildungsgarantie hin zu einer Ausbildungspflicht für sehr sinnvoll. Viele Bildungsabbrecher kommen aus dem migrantischen Umfeld. Mit einer Ausbildungspflicht kommen sie uns unter Anführungszeichen nicht mehr aus.
Wo sehen Sie sich nach der Landtagswahl 2015?
Das werden die Wählerinnen und Wähler entscheiden.
Das ist eine klassische Politikerantwort. Was wünschen Sie sich denn?
Ich fühle mich in meiner Position als Landesrätin sehr wohl. Mein Team und ich haben bewiesen, dass wir Umsetzer sind. Darauf bin ich stolz und ich gehe diesen Weg auch gerne noch weiter.
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