Die Armen aus den Favelas steigen auf
Eilig sollte man es in São Paulo nie haben. Denn der Straßenverkehr in der 20-Millionen-Metropole steht oft still, insbesondere wenn noch ein tropischer Regen vom Himmel platzt und sich in Sturzbächen über die Straßen ergießt. So kann eine Wegstrecke von drei Kilometern gut und gerne eineinhalb Stunden dauern. Zwar hat die Stadt über 30 Autobahnen, das U-Bahn-Netz jedoch ist nur so groß wie das in Wien. Die Busse stecken regelmäßig in der Verkehrshölle fest.
Nicht nur beim Verkehr ist die Megacity, in deren Ballungsraum 40 Millionen Menschen wohnen, ein Ort der Superlative. Auf drei Prozent der Fläche Brasiliens leben mehr als 22 Prozent der brasilianischen Bevölkerung. Außerdem kommt die Hälfte des weltweit hergestellten Orangensafts aus der Region. Die Stadt und ihr Umland ist das Finanzzentrum in Gesamt-Südamerika. Am erwirtschafteten Bruttoinlandsprodukt von 680 Milliarden Euro gemessen ist die Region São Paulo die drittgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas.
Der wirtschaftliche Stärke hat aber auch Auswirkungen auf die Einwohner. Die Stadt zählt zu den teuersten Pflastern der Welt. Dennoch wohnen Millionen in den Armenvierteln, den Favelas, wo sich zwischen den Hochhäuserschluchten und auf Hügeln kleine Ziegelhäuser aneinanderreihen. In den vergangenen Jahren hat die Politik reagiert und versucht, mit Wachstum Arbeitsplätze zu schaffen und die Lage der ärmlichen Bevölkerung zu verbessern. Und das mit Erfolg.
Mittelschicht
„Viele aus der Unterschicht sind in die untere Mittelschicht aufgestiegen. Diese sind es, die dann die Wirtschaft durch Nachfrage am Laufen halten", sagte Ingomar Lochschmidt, österreichischer Wirtschaftsdelegierter in São Paulo beim Besuch einer Wirtschaftsdelegation des Landes Oberösterreich. Diese breiter werdende Mittelschicht ist es auch, die sich Autos zulegt und den Verkehr in der Millionenmetropole immer weiter ansteigen lässt.
Die oberösterreichische Wirtschaft sieht in São Paulo und in Brasilien generell einen Hoffnungsmarkt, gerade bei Infrastrukturprojekten oder in der Automobil-Zulieferindustrie. Zwar dürfte das Wirtschaftswachstum von 7,5 Prozent im Jahr 2010 auf 3,5 Prozent im Jahr 2012 zurückgehen, doch es liegt noch immer weit über dem europäischen. 45 heimische Firmen wie der Elektrotechnik-Produzent Fronius oder der Schienen- und Weichenproduzent VAE haben hier Niederlassungen gegründet. Doch eine Steuer für jene Produkte, die nicht in im Land hergestellt werden, macht es den Firmen nicht immer leicht, hierher zu exportieren. „Es besteht kein Zweifel, es wird schwieriger. Brasilien ist ein Markt für Profis", erklärte Konsul Lochschmidt. Wirtschaftskammerpräsident Rudolf Trauner ist über diese Maßnahmen verärgert. Es könne nicht angehen, dass der Staat selbst nach Europa exportieren will, beim Import europäischer Produkte aber Hemmnisse aufstellt. „Wir werden uns als Interessensvertretung dagegen wehren." Wirtschaftslandesrat Viktor Sigl sieht das weniger dramatisch: „Die Unternehmen müssen sich die Frage stellen, ob sie tiefer in das Land eintauchen oder nur zuliefern wollen."
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