„Der Verein ist alles“

„Der Verein ist alles“
100 Jahre SV Ried: „Puzzlespieler“ Stefan Reiter über seine Trainersuche und die geringe Wertschätzung der Politik gegenüber dem Sport

Die SV Josko Ried feiert heute, Sonntag, ihr 100-Jahr-Jubiläum – mit einem großen Fest auf dem Messegelände (ab 13 Uhr). Klubmanager Stefan Reiter  über vergangene Großtaten und neue Ziele.

KURIER: Am Mittwochabend wurde der Einzug ins Cupfinale geschafft, heute steigt das 100-Jahr-Fest: Die SV  Ried kommt aus dem Feiern nicht mehr heraus, oder?
Stefan Reiter: Es kann nicht mehr perfekter sein.  Man darf aber nicht nur die Momentaufnahme sehen.  Wir haben nach Ende der vergangenen Saison einen Umbruch in der Mannschaft gehabt. Uns ist es zum Glück gelungen, die   richtigen Spieler zu holen. Im Semifinale am Mittwoch gegen die Austria waren nur drei  Spieler dabei, die im Cup-Finale 2011 im Einsatz waren.

Sie schaffen es immer wieder, die „richtigen“ Spieler zu verpflichten.   Was ist Ihr Erfolgsrezept?
Es ist nicht schwer zu erkennen, ob jemand ein guter  Spieler ist. Das kann jeder Fußballinteressierte.  Das Entscheidende ist: Wie passt ein Spieler charakterlich zu uns? Wie passt der Einzelne in die Systematik einer Elf hinein? Man muss sich das wie ein Puzzle vorstellen.

Haben Sie schon als Kind gerne Puzzle gespielt?
Nein, eigentlich nicht (lacht).

Die Rieder Mannschaft lebt vom Kollektiv. Ist es für Sie vorstellbar, irgendwann einmal einen sogenannten Star zu holen?
Ja – wenn es sich wirtschaftlich macht lässt. Es gibt genügend sogenannte Stars, die charakterlich in Ordnung sind. Die Kaderzusammenstellung muss ordentlich geplant werden. Es kann nicht sein, dass der Trainer sagt, er braucht einen Linksaußen, der woanders 15 Tore geschossen hat. Das ist uns zu wenig. Wir schauen uns Spieler sehr lange und sehr genau an. Ich habe da ein Netzwerk, auf das ich mich verlassen kann und dem ich vertraue.

Wie wird die Mannschaft für nächste Saison ausschauen?
Ich hoffe, es gibt diesmal keinen allzu großen Umbruch. Wir haben junge Spieler, die den ersten Schritt in der Bundesliga  gemacht haben. Sie müssen sich weiterentwickeln und sich aufs Neue beweisen.

Stefan Lexa verlässt Ried. Wer kommt als Ersatz?
Wir  wollen auf dieser Position einem jüngeren Spieler die Chance geben. Es war eine schwierige Entscheidung. Lexa ist  einer der besten Fußballer, die jemals in Ried gespielt haben. Aber es ist ein notwendiger Schritt in der Weiterentwicklung der Mannschaft.  

Wann wird der neue Trainer vorgestellt?
Sicher  nicht bei der heutigen 100-Jahr-Feier.  Bei  einer wichtigen Personalentscheidung kann ich mich nicht nach einem Datum richten.

Was für ein Anforderungsprofil muss der neue Cheftrainer erfüllen?
Ich sehe die Rolle des Cheftrainers ein wenig anders. Nicht der Verein muss sich nach seinen Vorstellungen richten, sondern er nach den Vorstellungen des Vereins. Der Verein ist alles. Das ist kein Quatsch. Das System Ried ist ein laufender Entwicklungsprozess. Ich hab’ das sportlich federführend in die Hand genommen. Bei uns ist aber nichts  in Stein gemeißelt. Ich bin  gegenüber Neuem wirklich sehr aufgeschlossen.
 Unser Grundprinzip wird aber immer lauten: Alle müssen sich unterordnen. Ein Trainer, der ein Selbstdarsteller ist, hat in Ried absolut nichts verloren.

Peter Stöger soll einer der Kandidaten für den Trainerposten in Ried sein.
Ich schließe niemanden aus. Aber man  muss realistisch sein. Es gibt Trainer, die haben laufende Verträge. Und  Stöger ist nun einmal an Wr. Neustadt gebunden.  

100 Jahre SV Ried: Was bedeutet das für Sie?
100 Jahre einmalige Geschichte. Wir spielen seit zwei Jahrzehnten Profifußball. Ich bin stolz darauf, daran mitgearbeitet zu haben. Die Cupsiege 1998 und 2011, der Vizemeistertitel, die vielen großen Spiele, die wir abgeliefert haben: Das alles gehört  dazu.  

Wer war eigentlich der teuerste Spielerverkauf in der Rieder Geschichte?
Marco Villa. Der deutsche Stürmer  hat zwar nur ein halbes Jahr bei uns gespielt, Panathinaikos Athen  hat aber  im Jahr 2000 eine gewaltige Summe für ihn gezahlt. Auch die Verkäufe von Royer, Kuljic und Salihi haben viel Geld eingebracht.

Was halten Sie von dem Theater um Thomas Gebauers  Einbürgerung?
Das  ist eine Watsch’n für den österreichischen Sport. Gebauer hat nie den Anspruch gestellt,  Österreicher werden zu dürfen. Er wurde vom ÖFB gefragt und er hat seine Hilfe angeboten. Wie man mit Leuten wie Gebauer seitens der Politik umgeht, ist verachtend. Würde mich nicht wundern, wenn Gebauer die Sache  zur Seite legt und auf die Einbürgerung verzichtet. Man sieht hier wieder: Die Wertschätzung der Politik gegenüber dem Sport ist gering.  Die Politik biedert sich an oder schimpft über den Fußball. Aber helfen tut letztendlich keiner. Ein trauriges Thema!

Wie stehen Sie zur Kritik an der Ukraine, neben Polen Gastgeber für die Euro 2012?
Der Sport sollte über den Dingen stehen. Die Menschen freuen sich auf dieses Sportereignis. Die Politik sollte sich da nicht einmischen. Ich glaube, dass wir in der Ukraine ein ordentliches Fußballfest erleben werden. Jeder Politiker, der glaubt nicht in die Ukraine fliegen zu wollen, soll daheim bleiben. So wird wenigstens Steuergeld gespart. Denn kein einziger Politiker zahlt sich sein Flugticket selbst.

Es wird immer wieder über eine Relegation in der Bundesliga, die Aufstockung der Ersten Liga und die Reform der Regionalliga diskutiert. Ihr Kommentar dazu?
Mit Ligaformaten leichtfertig umzugehen bringt nichts.  Was uns fehlt, ist ein echter Trennstrich zwischen Profi- und Amateurfußball. Wir müssen Vereine  vor dem Profifußball schützen. Sie wissen oft nicht, was auf sie zukommt. Ich finde das Lizenzierungsverfahren in Österreich sehr gut, es ist streng. Wir haben – gerade in Oberösterreich – schon genug Vereine gehabt, die in Konkurs gegangen sind.

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