"Das Andenken an die Verstorbenen bewahren"

Die Gräber der Verstorbenen sind offizielle Gedenkstätten
Warum wird der Friedhof rund um den 1. November jährlich zum Ort des Familientreffens? Coach und Autor August Höglinger erklärt Rituale und begleitet Trauernde.

Die Schaumrollen und Grabgestecke werden schon seit Wochen vor den Friedhöfen verkauft. Abgesehen davon ist jene hektische Betriebsamkeit bemerkbar, die sich immer in den Tagen vor Allerheiligen einstellt. Grabsteine und Beete werden auf Vordermann gebracht, Schalen neu bepflanzt und Kerzen brennen durchgehend. In vielen Familien gibt es ungeschriebenes Gesetz: Am 1. oder 2. November treffen sich möglichst alle an den Gräbern der Verstorbenen. So finden auch jene zusammen, die das ganze Jahr über wenig bis keinen Kontakt hatten.

Familie rückt zusammen

"Ja, es stimmt, diese Feiertage sind nach außen hin ein willkommener Anlass, Familie und Freunde wiederzusehen. Wenn wir nach innen blicken, haben sie aber eine tiefere Bedeutung", weiß August Höglinger. Der 61-Jährige ist Coach, Lebensberater und Autor, und hat ein Buch mit dem Titel "Loslassen – ohne zu vergessen" verfasst. "Zum Ritual des Abschiednehmens gehört es dazu, das Andenken an die Verstorbenen zu bewahren. Und das Grab auf dem Friedhof ist eine öffentliche Stätte des Gedenkens." Besonders in Trauerzeiten würden Hinterbliebene enger zusammenrücken, "das Bedürfnis nach Familie steigt. Dieses Bedürfnis wird an Allerheiligen gestillt. Menschen merken, dass sie zusammengehören und nicht alleine dastehen."

Für Menschen in normalen Lebensumständen reiche es grundsätzlich, sich ein Mal jährlich mit dem Tod und dem Sterben auseinanderzusetzen, für Trauernde gäbe es nicht umsonst das so genannte Trauerjahr: "Ich habe heuer meinen Bruder und meinen Vater verloren, jetzt durchlebe ich alle Phasen eines Jahres – von Allerheiligen über Weihnachten, Neujahr bis hin in den Sommer – ohne die beiden", sagt Höglinger. Prinzipiell empfiehlt er allen ab fünfzig sich irgendwann intensiver mit der eigenen Vergänglichkeit auseinanderzusetzen: "Wenn man das gemacht hat, kann man das Thema auch wieder loslassen und das Leben genießen."

Anpassen an neue Realität

Im Zuge seiner Tätigkeit hat der gebürtige Mühlviertler bereits viele Trauernde begleitet und seine eigene Definition für das gefunden, was in dieser Zeit passiert: "Trauer ist der Prozess der schmerzhaften Anpassung an eine neue Wirklichkeit." Dabei muss der Tod nicht immer traumatisch sein. "Wenn Menschen eine belastende Beziehung hatten, wenn schwere Krankheiten im Spiel waren, wird der Tod auch als befreiend empfunden. Und daran ist nichts Falsches." Menschen in diesen schwierigen Umständen zu begleiten, das sei seine Berufung.

Seine Erfahrung und sein Wissen gibt August Höglinger immer wieder an trauernde Menschen weiter, das nächste Mal am 17. 11. im Rahmen der Linz AG-Vortragsreihe "Loslassen, ohne zu vergessen" um 18.30 Uhr im Alten Rathaus in Linz. Zusätzlich wurden bereits viele Linzer Bestatter von Höglinger in speziellen Seminaren für den Umgang mit trauernden Angehörigen und Freunden geschult. "Das war auch eine wichtige Aufgabe, denn die Bestatter sind ja mitten im Geschehen dabei, wenn es heißt ein Begräbnis vorzubereiten."

Den Herbst allgemein und Allerheiligen speziell sieht der Coach als Jahreszeit des Abschiednehmens: "Wir können uns zurückziehen, das unterstützt in vielen Fällen den Trauerprozess."

Zur Person

August Höglinger studierte Informatik und Betriebswirtschaftslehre an der Uni Linz. Er arbeitete unter anderem im WIFI und in der Wirtschaftskammer OÖ. Seit 20 Jahren ist der gebürtige Mühlviertler selbstständig, er lebt in Linz-Urfahr.

Zur Tätigkeit

August Höglinger coacht Führungskräfte aus der Wirtschaft, begleitet Menschen in schwierigen Lebensumständen, hält Vorträge und Seminare und ist Autor zahlreicher Bücher.

Infos: www.hoeglinger.net

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