Börse: Wenn die Nacht am dunkelsten ist
Der Aktienmarkt in den USA verzeichnete das schwächste erste Halbjahr seit 1940, für EURO-Investoren wurde dies lediglich durch den starken US-Dollar verbessert. Auch die Entwicklung der Anleihemärkte war in jeder Hinsicht historisch, Staatsanleihen und Unternehmensanleihen zeigten ein Minus deutlich jenseits der Zehn-Prozent-Marke. Dies ist besonders schmerzvoll, da es keinen Platz zum Verstecken gab, auch nicht bei den sogenannten „sicheren Häfen“ wie Österreich und Deutschland.
Die Hintergründe dafür wie Zinswende der Notenbanken, Inflationshoch, Lieferkettenproblemen und der Russland-Ukraine-Krieg sind bekannt. Aber haben die Märkte aktuell nicht eine Angst zu viel? Ist es wirklich wahrscheinlich, dass wir in eine Rezession gehen, ohne dass sich die Lieferketten erholen, ohne dass die Inflation sich einbremst? Werden die Notenbanken in einem Rezessionsszenario wirklich die angekündigten Zinserhöhungen voll durchziehen?
Die Chancen sehen
Eher nicht. Gerade die vergangenen beiden Jahre haben Demut gelehrt, was die Prognostizierbarkeit der Zukunft betrifft. Gerade aber in diesem Umfeld darf der Blick nicht nur auf die Risiken gerichtet sein, sondern auch die Chancen. Ein Portfolio aus soliden EUR-Unternehmensanleihen mit guter Bonität bringt aktuell bei einer Laufzeit von 5 bis 6 Jahren eine Rendite von etwa 3,5 % per anno. Wenn wir davon ausgehen, dass sich die Inflationsrate nach der Übertreibung auf 3 % bis 3,5 % zurückbildet, ist dies eine Zinschance, wie wir sie seit zehn Jahren nicht gesehen haben.
Die Aktienmärkte haben sich verbilligt, auch auf Basis der Gewinnerwartungen für die oft komplizierte Zukunft. In den USA wurde die Geldschwemmen-Blase im Coronaumfeld wieder völlig ausgepreist, viele Tech-Aktien stehen tiefer als vor Ausbruch der Pandemie. Europa liegt deutlich unter dem Schnitt der letzten zehn Jahre und die Wiener Börse ist so tief bewertet wie zuletzt im Umfeld der Lehman-Pleite. Nicht alle Probleme werden sich in den kommenden Wochen und Monaten auflösen, ein schrittweiser Einstieg in den Markt bis Jahresende 2022 erscheint aber für Investoren mit Mut und Weitsicht eine logische Alternative.
Alois Wögerbauer ist Geschäftsführer der 3 Banken-Generali-Investment-Gesellschaft
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