Böhmerwald versorgte Wien mit Brennholz

Drei Mal im Jahr gibt es ein Schauschwemmen. Seine Attraktivität ist ungebrochen.
Schwarzenbergscher Schwemmkanal. Heute führt entlang der einstigen Transportroute für Holz ein schöner, 50 km langer Wander- und Radwanderweg.

Das Jahr 1789 erinnert nicht nur an die Französische Revolution, es wurde auch der Bau eines revolutionären technischen Bauwerks begonnen. Der Schwarzenbergsche Schwemmkanal war eine Holzschwemmanlage und führte vom Dreisesselberg über die Europäische Hauptwasserscheide und über die Große Mühl bis zur Donau. Über den Schwemmkanal wurde das Holz bi s zur Donau gebracht, auf Schiffen wurde es von dort in die Hauptstadt Wien transportiert. Die Fürsten Schwarzenberg besassen zum Ende des 18. Jahrhunderts im Böhmerwald rund 24.000 Joch Waldgebiete. Zur selben Zeit stieg in Wien der Bedarf nach Feuerholz massiv an.

Plöckensteiner See

Die Plöckensteiner-See-Radroute eignet sich bestens, den nördlichen Teil des historischen Bauwerks in einer 50 Kilometer-Runde kennenzulernen. Der Geschäftsführer des Tourismusverbandes Böhmerwald, Reinhold List, kennt die Region seit Jahrzehnten und ist ein kundiger Begleiter.

Die herbstlichen Talnebel liegen schon unter uns, wir befinden uns bereits auf 960 Meter. Die spannende Rundfahrt führt stets in ähnlicher Höhenlage durch tiefgrüne Mischwälder. List: „Die Wälder sind im Besitz des Stiftes Schlägl und werden als Plenterbetrieb bewirtschaftet. Dabei werden nur einzelne Bäume gefällt. Der Mischwald kann sich so permanent selber verjüngen und der Borkenkäfer im Zaum gehalten werden.“

Der bestens präparierte Radweg führt durch das Skigebiet Hochficht. Die modernste Zehn-Personen-Gondelbahn Österreichs lässt uns ans winterliche Skivergnügen denken. Schließlich wird der Fußgängerübergang nach Tschechien erreicht. Der Radweg ist jetzt nicht mehr ein Schotterweg, sondern asphaltiert. Zur Zeit des Eisernen Vorhangs war hier ein exklusiver Bereich des Militärs. Deutschsprache Wegweiser werden jetzt spärlich.

Das nächste Ziel, der Plöckensteiner See, heißt Plešné jezero. Diesem Hinweisschild folgend, erreichen wir bald den eiszeitlichen Gebirgssee. Idyllisch liegt er auf 1090 Metern am Fuß des höchsten Berges des Böhmerwaldes, dem 1379 Meter hohen Plöckenstein. Was jetzt folgt, ist eine Genusspause: Auf der Bank sitzen, mit der Seele baumeln und den stillen See betrachten. Dann geht der Blick über das Wasser hinaus auf den hoch aufragenden Moränenwall. Von dort oben blickte einst Adalbert Stifter auf seinen geliebten See und nannte ihn das „dunkle Auge Gottes“. Ein Stifter-Denkmal erinnert daran.

Böhmerwald versorgte Wien mit Brennholz

Schwarzenberg'scher Schwemmkanal

Am Radweg entlag des Schwemmkanals

Böhmerwald versorgte Wien mit Brennholz

Schwarzenbergscher Schwemmkanal

Am Plöckensteiner See

Drei Mal im Jahr gibt es ein Schauschwemmen. Seine Attraktivität ist ungebrochen.

Schwarzenberg'scher Schwemmkanal

Drei Mal im Jahr gibt es ein Schauschwemmen. Seine Attraktivität ist ungebrochen.

Böhmerwald versorgte Wien mit Brennholz

Schwarzenberg'scher Schwemmkanal

Der Hirschenbergen-Tunnel

Böhmerwald versorgte Wien mit Brennholz

Schwarzenbergscher Schwemmkanal

Der Grenzübergang zum Plöckensteiner See

Nach einem kurzen Wegstück nach Norden erreichen wir in der Halbzeit der vierstündigen Rundfahrt den Schwarzenbergschen Schwemmkanal und treffen auf ein besonderes Bauwerk, den Hirschbergen-Tunnel. Fast 400 Meter lang, verband er zwei Gewässer und ermöglichte so das Schwemmen von Holz. Das mit zwei Ecktürmchen, fünf Zinnen und einem Spitzbogen verzierte steinerne Einlaufportal erinnert an ein Märchenschloss. List: „Die Quellen sagen, dass es sich hier um den ältesten Tunnel Mitteleuropas handelt.“ Munter wie in früheren Zeiten fließt auch heute noch das eisenbraune Wasser hindurch.

Ab jetzt führt die Radroute kontinuierlich entlang des Kanals. Wir können hautnah die ingenieurtechnische Meisterleistung erleben und verstehen, warum das Bauwerk im 19. Jahrhundert als „achtes Weltwunder“ bezeichnet wurde. Das Gefälle über die nächsten 20 Kilometer beträgt exakt 0,2 Prozent. So gleiten wir entlang der Wasserstraße entspannt dahin. Der 80 cm tiefe Kanal war typischerweise am Kanalboden 2,20 m breit und oben 2,80 m. Gespeist wurde er vom Wasser des Plöckensteiner Sees und während der Holzschwemme aus 22 Bächen, die durch Schleusen abgesperrt und in den Kanal geleitet wurden. Wir passieren mehrere der insgesamt 87 Brücken.

1200 Beschäftigte

Bis zu 1200 Menschen waren zu Spitzenzeiten damit beschäftigt, das Holz des Böhmerwaldes auf dem Kanal weiterzuleiten. Am Ende des Kanals trieb das Holz auf österreichischer Seite lose weiter auf der Großen Mühl bis kurz vor deren Mündung in die Donau. Dort wurde es im Ausschwemmkanal mit Rechen abgefangen, auf Schiffe verladen, nach Wien transportiert und – wegen der niedrigen Transportkosten – mit großem Gewinn als Brennholz verkauft.

Über ein Jahrhundert war der Schwemmkanal die pulsierende Hauptschlagader der Region. Schließlich erreichen wir wieder die Grenze nach Österreich und kehren kurz vor Schöneben in der urigen Jausenstation zum Blauen Hirsch ein. Apfelstrudel und Topfenknödel schmecken vorzüglich.

Drei Mal im Jahr gibt es Gelegenheit, bei einer Schauschwemme dabei zu sein und dieses historische Schauspiel auch heute wieder mitzuerleben. Der Schwemmdirektor erteilt dabei den Befehl zur Schwemme. Ein länderübergreifendes Kulturprogramm mit Folkloregruppe aus Südböhmen erinnert an die Feierstimmung früherer Zeiten nach getaner Arbeit.

Josef Leitner ist Universitätslektor und besucht mit seinem Reisemobil interessante Plätze der Natur und Kultur www.boehmerwald.at

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