„Bin Ausländer dritter Generation“

„Bin Ausländer dritter Generation“
Menschenrechtspreisträger Albert Langanke über Fremdenfeindlichkeit, Faschismus und das NS-Verbotsgesetz.

KURIER: Sie haben im Dezember den Menschenrechtspreis des Landes OÖ verliehen bekommen. Wie ist es eigentlich hierzulande um die Menschenrechte bestellt?
Albert Langanke: Problematisch ist der in vielen Köpfen noch hartnäckig verankerte Alltagsrassismus, der aber oft nicht einmal als solcher wahrgenommen wird. Ein Beispiel: Mein Großvater war ein Ostpreuße, der 1899 auf der Walz eine Mühlviertlerin kennengelernt und geheiratet hat. Nach gängigem Sprachduktus, wie er häufig etwa in Zusammenhang mit türkischstämmigen Mitbürgern zum Einsatz kommt, wäre ich Österreicher mit migrantischem Hintergrund – also genau genommen ein Ausländer dritter Generation. Zu mir hat das aber noch nie jemand gesagt. Nachfahren aus anderen Kulturkreisen bekommen das jedoch regelmäßig zu hören. Ganz nach dem Motto: Einmal Ausländer, immer Ausländer – mit Sippenhaftung auf ewig.

Fremdenphobie scheint in der österreichischen Bevölkerung demnach relativ stark verwurzelt zu sein. Warum ist das so?
Die Ursachen dafür reichen in die Kriegsjahre zurück. Damals hat es bei uns sehr viele der sogenannten Fremd- und Zwangsarbeiter gegeben. Diese Leute hatten in der damaligen Gesellschaft keinen Wert und galten als Menschen dritter oder vierter Klasse. Wenn sie einem Einheimischen auf dem Gehsteig begegnet sind, mussten sie hinunter steigen. Diese Haltung steckt zum Teil immer noch in vielen Österreichern drinnen und wird leider nicht selten auch an nachfolgende Generationen weitergegeben.

Hat die Ausländerfeindlichkeit in den Jahrzehnten nach 1945 auch irgendwann abgenommen oder ist sie gleichgeblieben?
Es hat in den 1960er- und 70er-Jahren eine Zeit gegeben, da waren Gastarbeiter sogar hochwillkommen. Die Wirtschaft hat sie damals dringend benötigt – in den Betrieben sind diese Leute auch sehr unterstützt worden. Doch dann ist der Herr Jörg gekommen und hat den Ausländerhass neu geschürt. Dieses Phänomen hat schleichend immer mehr um sich gegriffen. Wir alle waren leider nicht in der Lage, etwas Wirkungsvolles dagegen zu tun. Erst seit Jörg Haiders Tod ist es diesbezüglich wieder ein wenig besser geworden.

Woran hapert es im Bereich Integration derzeit besonders?
Es wäre wichtig, dass Migranten, die hier bleiben wollen, auch rasch die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen bekommen. Je früher das passiert, desto eher sind sie bereit, Verantwortung zu übernehmen. Das müsste so ab fünf Jahren aufwärts möglich sein. Rechtsanspruch auf die Staatsbürgerschaft besteht derzeit erst nach 30 Jahren Aufenthalt.

Was ist Ihrer Meinung nach noch verbesserungswürdig?
Migranten müssen die Möglichkeit haben, problemlos ihren Glauben zu leben. Dazu gehört, dass sie ihre eigenen Gotteshäuser haben – etwas, das eigentlich völlig normal sein sollte. Ganz wichtig ist auch die Bildungsfrage: Zuwanderer müssen so rasch wie möglich auf allen Ebenen einen umfassenden Zugang zu Weiterbildung erhalten. Das ist immer noch die wichtigste Voraussetzung für das berufliche Fortkommen eines Menschen.

Sie waren bis 2011 Generalsekretär des Internationalen Mauthausen Komitees. Wird in Oberösterreich genug gegen Rechtsextremismus getan?
Unser Landeshauptmann betont zwar bei jeder Gelegenheit, dass wir in Oberösterreich keine rechtsextreme Szene haben. Das mag natürlich für die Bevölkerung beruhigend sein, ist aber nicht wahr. Bestes Indiz dafür sind etwa die in dieser Woche bekannt gewordenen Machenschaften rund um den kriminell-faschistischen Verein „Objekt 21“ in Desselbrunn – mit Waffenhandel, Drogen, Prostitution und Brandanschlägen. Im Jahre 2010 und 2011 sind übrigens allein in Oberösterreich insgesamt 171 rechtsextreme Delikte registriert worden. Die Aufklärung erfolgt aber nur schleppend. Die beiden Schändungen der KZ-Gedenkstätte Mauthausen sind derzeit noch genau so wenig aufgedeckt, wie die ideologischen Hintermänner der Attacke von vier Jugendlichen auf Teilnehmer einer Gedenkfeier im ehemaligen KZ Ebensee.

Was halten Sie von den immer wiederkehrenden Forderungen, das NS-Verbotsgesetz in Österreich endlich abzuschaffen?
Wir leben zum Glück in einem Land, das aufgrund des „verlorenen Krieges“ – es heißt ja leider nur selten, dass wir befreit worden sind – das Verbotsgesetz bekommen hat. In anderen Ländern, mit Ausnahme von Deutschland, gibt es derartiges aber nicht. Aus dem Grund kann man etwa in Italien oder Spanien problemlos einen Hitler- oder Göringwein öffentlich kaufen. So weit ist es bei uns zum Glück noch nicht. Aber ich bin mir sicher, wenn es das Verbotsgesetz nicht gäbe, wären wir auch sehr bald so weit. Und deshalb bin ich extrem froh, dass wir es haben – und es darf auch nicht wegkommen. Dieses Gesetz bedeutet das Um und Auf für die österreichische Demokratie, wir brauchen es einfach.

Finden Sie die von manchen Kommentatoren und Juristen geäußerte Kritik an der Strafhöhe für den Holocaustleugner Gottfried Küssel berechtigt?
Das hat mich doch einigermaßen erstaunt, denn die neun Jahre Haft aus der ersten Instanz sind ja bekanntlich noch nicht rechtskräftig. Ich bin aber ein geduldiger Mensch und kann das endgültige Urteil abwarten. Jedenfalls wünsche ich mir, dass dieser Mensch schlussendlich doch eine möglichst hohe Strafe erhält und damit auch lange aus dem Verkehr gezogen wird. Außerdem sollte das Urteil eine abschreckende Wirkung haben.

Langanke: Nazis vergasten seinen Onkel

Albert Langanke ist seit 1963 in der antifaschistischen Aufklärungsarbeit, in der Arbeiterbewegung sowie in Migrations- und Integrationsangelegenheiten tätig. Bis 2011 war er Generalsekretär des Internationalen Mauthausen Komitees (CIM). Seine gesellschaftspolitische Prägung erfuhr er durch den Vater, der von den Ereignissen der Zwischenkriegszeit geprägt war.

„Bin Ausländer dritter Generation“
Und durch die Mutter, deren jüngster Bruder wegen eines Nervenleidens als „unnützes Leben“ von den Nazis im Rahmen der T4-Aktion (Euthanasiemorde) vergast worden ist. 1975 wurde er Landesbildungssekretär und Migrantensekretär des ÖGB. 1980 baute er eine landesweite dezentrale Migrantenorganisation aus. 1985 gründete er den Verein zur Betreuung der Ausländer – das heutige „migrare“. 1986 initiierte er das Mauthausen Komitee (MKÖ) und organisierte alljährlich die Befreiungsfeiern.

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