Die Ökosystem-Ingenieure: Welche Spuren Biber in Linz hinterlassen

Die Ökosystem-Ingenieure: Welche Spuren Biber in Linz hinterlassen
Im Stadtgebiet leben rund 100 Biber. Sie renaturieren Flüsse und Bäche und machen ihre Umgebung für seltene Tierarten bewohnbar.

Es sind kunstvoll konstruierte Bauwerke. Aus Totholz aller Art haben die Linzer Biber nicht nur einen, sondern auf einer Strecke von 1,8 Kilometern gleich mehrere Dämme gebaut. Sorgfältig haben sie das Material aufgeschlichtet, die Seitenwände mit Schlamm verkleidet und regulieren so die Gewässer.

„Sie sind echte Ökosystem-Ingenieurinnen und -Ingenieure.“ Fabian Holzinger und Franziska Thurner weisen beim Spaziergang am Wasser auf Spuren hin, die die Biber hinterlassen haben: Höhleneingänge, Trampelpfade, sogar eine Biberburg gibt es. 

Die Medienkünstlerin und der Ökologe beobachten und beforschen die gefährdeten Tiere mittlerweile seit Jahren, sie kennen ihre Linzer Truppe. Drei Wildkameras dokumentieren das geschäftige Treiben der nachtaktiven Gesellen: Dämme müssen repariert und ausgebaut werden, so ein Biberleben ist Schwerarbeit.

Besonders empfehlenswert: Unter beaverlab.at sind zahlreiche Soundfiles der arbeitenden Biber und weiterer, umfangreicher Content zum Thema vorhanden.

Die Ökosystem-Ingenieure: Welche Spuren Biber in Linz hinterlassen

Biber-Fans: Fabian Holzinger und Franziska Thurner erforschen und schützen die Tiere.

Lauschen im Biberbau

Was spannend ist: Holzinger ist auch Musiker, er ist speziell an den Lauten der Biber interessiert, die bis dato kaum erforscht sind. Mit spezieller Ausrüstung nimmt er die Geräusche der Familien auf und publiziert sie. Was da zu hören ist? Schmatzen, Niesen, Sudern, das Fiepsen der Biberbabys, lautes Geschnaube und sogar ein Knurren.

„Da die Biber in Österreich so lange ausgerottet waren, kursieren sehr viel Unwissen und sehr viele Gerüchte in der Bevölkerung“, sagt Franziska Thurner. Eines davon ist die Überpopulation. „Das ist gar nicht möglich. Biber leben territorial, bewohnen also immer ein bestimmtes Gebiet. Die Anzahl der Jungtiere regelt sich nach dem Revier, das zur Verfügung steht“, klärt Thurner auf. 

Was man an den Ufern der Linzer Flüsse deutlich sieht: Bäume, die geschützt werden sollen, müssen eingezäunt werden. „Ja, das ist einfach so. Aber wir haben hier 100 Bäume an einem Tag eingezäunt, das ist also kein großer Aufwand“, sagt Fabian Holzinger.

1,2 Millionen Euro gespart

Dass Biber mit ihren Bautätigkeiten positiven Einfluss auf die Ökosysteme haben, die sie bewohnen, zeigt ein aktuelles Beispiel aus Tschechien: Eine Biberfamilie hat bei der Revitalisierung eines Bachlaufs geholfen – und damit Naturschützern viel Geld und Arbeit gespart.

„Die Nagetiere haben am Fluss Klabava einen Damm gebaut und so ein Sumpfgebiet geschaffen“, sagt der Leiter des Landschaftsschutzparks Brdy, Bohumil Fiser. Ein Biber könne in einer Nacht bauen, wofür der Mensch mit einem Bagger eine Woche brauche, so der Experte. Er schätzt die Einsparungen durch den Biberbau in Tschechien auf bis zu 1,2 Millionen Euro.

Sollte man auf eine Biberfamilie treffen, sei es wichtig, nicht zu vergessen, dass es sich um Wildtiere handelt: „Man kann sie beobachten, aber auf keinen Fall angreifen“, warnen Holzinger und Thurner. 

Biber sehen schlecht, aber riechen sehr gut. Wenn sie mit ihrer Kelle laut aufs Wasser klatschen, ist für sie Gefahr in Verzug. Seine Faszination für die Biber teilt das Kunstschaffenden-Duo bei Führungen, Vermittlungsprogrammen und in Ausstellungen. Warum? „Empathie für die Biber ist wichtig.“

So vergrößern Bibern die Wasserflächen 

Was die Biber an den Linzer Flüssen und Bächen leisten, hat Auswirkungen auf viele Lebewesen. Einerseits schaffen die nachtaktiven Tiere viel Wasser-Lebensraum, indem sie die Wasserfläche vergrößern: Durch ihre Bautätigkeiten, etwa in Form von Dämmen, entstehen nicht nur tiefere, aufgestaute, sondern auch seichtere, schneller fließende Bereiche sowie Umgehungsgerinne und Seitenarme.

Die Ökosystem-Ingenieure: Welche Spuren Biber in Linz hinterlassen

Der Eisvogel siedelt sich langsam wieder in Linz an.

Der Eisvogel, die gebänderte Prachtlibelle und die Würfelnatter (Letztere ist vom Aussterben bedroht, auf der Roten Liste sind alle drei) sind nur drei Tierarten, die davon profitieren, dass die Biber ganz natürlich renaturieren.

Mehr Totholz an Land und im Wasser bedeutet allgemein mehr Lebensraum für viele Insekten oder Verstecke für Jungfische und damit wiederum Nahrung für etwa den Eisvogel und die Würfelnatter.Ebenso spielen ihre Ausstiege, kleine seitliche Kanäle und die Vielzahl an Höhlen, die sie graben, eine wichtige Rolle für andere Tiere. 

Biber schaffen also viele verschiedene Lebensräume auf kleiner Fläche. Was für uns vielleicht chaotisch wirkt, ist meist der Inbegriff von Biodiversität. Und was uns heute als ungewohnt erscheint, war  der Normalzustand in allen Gewässern, bevor der Mensch begann, gröber einzugreifen.

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