Bevor der Tod euch scheidet

Nur noch Blitz und Donner: Jahrelang geschluckte Kränkungen und Frust können im Extremfall zu Gewalt an Familienmitgliedern führen
In Oberösterreich endeten kürzlich drei Beziehungen tödlich - so gelingt Trennung in Würde.

Fünf Tote in Oberösterreich innerhalb einer Woche – und immer waren Beziehungsstreitereien die Auslöser: Michael H. wird verdächtigt, seine Lebensgefährtin erdrosselt zu haben. Tagelang war der Trauner auf der Flucht. Am Mittwoch stellte sich der 34-Jährige in Prag den Behörden. Sein Facebook-Eintrag zur Tat mutet skurril an: "Bin ein Mörder, bin ein schlechter Mensch – hab euch alle lieb!"

Ein schwelender Streit dürfte vergangene Woche auch in Alberndorf eskaliert sein. Der Mann brachte zuerst seine Verlobte um und erhängte sich anschließend. Der Täter wohnte trotz Trennung noch immer im Wohnwagen vor dem Haus.

Die Nachbarn hatten keine Unstimmigkeiten bemerkt, "sie haben gerade noch gemeinsam im Garten gearbeitet." Bei einem 54-jährigen Lichtenberger dürfte die Ohnmacht aber so groß gewesen sein, dass er im Schlafzimmer zuerst seine Lebensgefährtin erschoss, bevor er sich anschließend im Keller selbst richtete.

Interview

Adelheid Kastner blickt oft in die Abgründe der menschlichen Seele. Die Linzerin war unter anderem Gerichtsgutachterin im Fall Fritzl. Im KURIER-Interview erklärt die Psychiaterin, warum Beziehungen manchmal tödlich enden und wie eine Trennung ohne Gewalt gelingen kann.

KURIER: Warum sind so häufig Streit oder Trennungen die Auslöser für Gewalt in der Familie?

Adelheid Kastner: Den meisten Menschen ist niemand näher als ihre Familienmitglieder. Wenn nun ein Mann von seiner Frau als entbehrlich deklariert wird – und nichts anderes ist eine Trennung –, trifft ihn das sehr tief. Das erschüttert sein Bild von sich selbst. Es gibt Menschen, die können das schlecht hinnehmen, leben dann unter totaler Anspannung, Stress und Druck.

Wer ist prädestiniert, Gewalt als Lösungsansatz zu sehen?

Das sind Menschen mit einem schwachen Selbstwert, mit null Problemlösungskompentenzen. Oft gibt es ein hohes Aggressionspotenzial. Es kann auch sein, dass jemand noch nie gewalttätig war, aber jahrelang Kränkungen geschluckt hat.

Was muss vorab passieren, damit jemand zum Mörder wird?

Es gibt Menschen, die neigen dazu, die Schuld für Situationen bei anderen zu suchen, wollen keine Eigenverantwortung für ihr Handeln übernehmen. Solche Menschen haben nicht das Gefühl, Unrecht zu begehen. Sie sehen ihr Handeln als Reaktion. Bis es zu einer Gewalttat in der Beziehung kommt, hat sich in den meisten Fällen viel Wut und Frust über einen längeren Zeitraum hin aufgestaut. Irgendwann hat dann im Hirn des potenziellen Täters nichts anderes mehr Platz als der Gedanke an Rache.

Gibt es Vorwarnungen, dass jemand in Extremsituationen zum Täter werden könnte?

Das kann sein, muss aber nicht sein. Wenn jemand schon vorher in der Beziehung gewalttätig geworden ist, muss man immer wieder damit rechnen.

Wie kann man sich von einem Menschen trennen, der das Ende der Beziehung negiert und vielleicht sogar Gewalt androht?

Das ist eine schwierige Situation, die Sicherheitsmaßnahmen braucht. Die Trennung muss klar kommuniziert werden. Bitte einen harten Schnitt machen und sich nicht mehr auf fünf "wirklich wichtige Abschiedsgespräche" einlassen. Genau bei diesen letzten Aussprachen passieren dann oft die Dramen. Temporär kann ein Aufenthalt im Frauenhaus oder an einem anderen, anonymen Wohnort sowie der Wechsel der Handynummer eine Lösung sein. In der Regel entschärfen sich solche Fälle nach einiger Zeit von selbst.

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