Priester (67) von irdischem Richter wegen Betrugs verurteilt
Die Zutaten für einen Betrug sind rasch erklärt. Ein spielsüchtiger ehemaliger Spieler, vorbestraft, ein zumindest vordergründig vertrauenswürdiger Priester in kleinen oberösterreichischen Pfarren. Ältere Frauen, allesamt fromme Schäfchen des Priesters.
Am Montag standen die beiden Männer vor Gericht. Am Abend wurde das Urteil verkündet: Der Ex-Pfarrer hat am Montag in Linz neun Monate bedingt ausgefasst, sein ehemaliger Schüler eine Zusatzstrafe von zwei Jahren. Die beiden sollen einer Reihe von gutgläubigen Opfern eine sechsstellige Summer herausgelockt haben.
➤ Mehr dazu hier: Emeritierter Priester und ehemaliger Schüler vor Gericht
Die Anklage ist lang. Mehrere Dutzend Frauen haben zum Teil große Summen auf Bitten des Pfarrers herausgerückt, der offenbar immer glaubwürdige Geschichten präsentiert hat.
Die wohl perfideste Betrügerei soll der Priester an einer Frau begangen haben, deren Mann der ehemalige Pfarrer beerdigt hat. 105.000 Euro soll er allein dieser trauernden Witwe herausgelockt haben.
"Habe viel Geld verloren"
Einige der Betrogenen sind als Privatbeteiligte hier. "Ich habe viel Geld verloren", sagt eine ältere Frau in Blumenkleid und dunkelblauem Blazer. "Er war so ein guter Pfarrer, ich habe ihm einfach vertraut." Was jetzt aus dem Geld werden soll, weiß sie nicht: "Der Pfarrer hat ja nix, und der andere, dem er es gegeben hat, sitzt im Gefängnis."
Die Verzweiflung klingt durch, während der 52-jährige ehemalige Schüler am Anklagestuhl Platz nimmt. Der ebenfalls angeklagte Priester setzt sich unterdessen auf die Zuschauerplätze. Dunkler Anzug, weißes Hemd, Brille, grau meliertes Haar.
Der Staatsanwalt schildert unterdessen ein paar Schmankerl aus dem Fall: Eine Frau habe dem Pfarrer Geld aus einem Geheimschrank gegeben: "Der Priester ging darauf hin so oft zu ihr, bis das ganze Ersparte weg war."
Geldübergabe am Friedhof
Irgendwann sei in der Pfarre auch am Stammtisch wieder Gerede aufgekommen. Deshalb sei sogar die Haushälterin an ihn herangetreten, um ihn zum Aufhören zu bewegen, schildert der Staatsanwalt. Danach seien einige Darlehen zurückgezahlt werden. Aufgehört habe der Priester nicht: "Selbst danach soll er weitere 80.000 Euro von Personen herausgelockt haben. Sogar am Friedhof ist eine Geldübergabe durchgeführt worden.
Für den Staatsanwalt ist klar: "Der Priester hat sich keinen eigenen großen Vorteil verschafft, aber er hat gewusst, dass er das Geld nie wieder zurückzahlen kann."
Von der Kanzel und in Pfarrblättern sei die Info verkündet worden, dass niemand dem Pfarrer Geld gegeben solle. Weitergemacht habe er trotzdem.
Und auch dem 52-jährigen Vorbestraften wird eine lange Liste an Betrügereien vorgeworfen. 300.000 Euro soll er noch anderen Bekannten veruntreut haben, auch hier sollen vornehmlich Frauen und deren Bekannte Opfer gewesen sein.
In Haft wegen Love Scam
Der 52-Jährige ist kein unbeschriebenes Blatt. Er kommt ganz in schwarz, die Haar kurz geschnitten, Kopf und Blick gesenkt. Vier einschlägige Vorstrafen liest der Richter vor, eine lange Haftstrafe hat er bereits abgesessen.
Aktuell sitzt er in Stein in Haft. Wegen mehrerer Love Scams wurde er vom Landesgericht St. Pölten zu einer viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Der Verteidiger des Priesters betont: "Der Angeklagte hat sein Handwerk beherrscht – das kommt aus den Vorstrafen deutlich heraus. Der Priester war nicht der erste, der ihm auf den Leim gegangen ist. Betrüger verstehen es, perfekt zu manipulieren, und so hat er den Priester instrumentalisiert“, erklärt der Verteidiger.
Für den ehemaligen Pfarrer fordert der Verteidiger deshalb einen Freispruch. Der Priester bekennt sich schließlich auf Nachfrage des Richters als "nicht schuldig" im Sinne der Anklage.
Die Verteidigerin des 52-Jährigen sagt in ihrem Eingangsstatement: "Der Angeklagte will reinen Tisch machen, deshalb hat er auch seine Aussage geändert und gesteht zwei offenen Fakten." Der Mann wolle die Haft nutzen, seinen bislang erlernten Beruf wieder aufleben lassen und nach der Haft ein geordnetes Leben führen.
Bei der Einvernahme durch den Richter erzählt der 52-Jährige vom Tod seiner Mutter, von den Schulden auf dem Bauernhof, von der vermeintlichen Erbschaft, mit der er den Pfarrer immer wieder zur Herausgabe von Geld bringen konnte. Dass er Anfangs nichts davon gesagt habe, dass der Pfarrer selbst auch Geld für sich behalten habe, erklärt der Angeklagte: "Ich wollte ihn schützen."
Zwei Mal pro Woche habe er den Pfarrer getroffen, meist sei es um Geld gegangen, aber auch um Glaubensfragen: "Ich komme ja aus einem christlichen Haus."
Oft habe er "Loch auf Loch zu" gemacht, räumt der 52-Jährige ein. Auch, dass er sehr viel Geld verspielt hat, gibt er zu: "Das Spielen war ein Blödsinn. Das geht sich nie aus. Jetzt ist der Bauernhof weg.“
Was er vehement in Abrede stellt: Die Höhe der Forderungen seiner ehemaligen Partnerinnen: "Ich habe selber viele Rechnungen bezahlt." Etwa ein Auto. Deshalb sei die Forderungshöhe nicht korrekt: "Ich bin zwar im Minus, aber sicher nicht 74.000 Euro."
"Habe ihm bis zum Schluss geglaubt"
Nach einer kurzen Pause wird der ehemalige Pfarrer einvernommen. Der Richter hält dem ehemaligen Pfarrer einleitend vor: „Sie haben ein Helfersyndrom, sagt ihr Bruder.“ Der Pfarre nickt.
Zuerst wird dann über die frühere Geschichte geredet (siehe unten). Dann wird es aktuell. Als der ehemalige Schüler zu ihm gekommen sei, habe er ihm gleich einmal die ersten rund 5.000 Euro gegeben, erinnert sich der Pfarrer. Aus seinem Ersparten: "Das waren einige Male ein paar hundert Euro für Mietschulden. Dann ist es mehr und mehr geworden."
Nachdem der ehemalige Gottesmann kein eigenes Geld mehr hatte, ist er auf andere zugegangen. „Ich war wie ein Geldbote.“ Erst von der Familie, dann von Bekannten, die er über seine Tätigkeit als Priester kannte, habe er Geld geliehen. Und er betont auf Nachfrage: „Ich habe nichts von dem Geld für mich verwendet.“
Er selbst habe zwar Aufzeichnungen gehabt: „Ich war damals so durcheinander, dann habe ich den Überblick verloren. Ich war wirklich fertig, war depressiv.“ Später habe er realisiert, wie viel Geld das tatsächlich gewesen sei. Fast 450.000 Euro sollen es zum Schluss gewesen sein.
Er habe dem 52-Jährigen wirklich die Geschichte mit dem Verkauf des Bauernhofes geglaubt: „Ich war überzeugt, dass er dann die 500.000 Euro bekommt.“ Und damit alle offenen Schulden beglichen werden könnten.
Auch die Geschichte, der 52-Jährige sei die rechte Hand des Chefs in seiner Firma, habe er ihm geglaubt. Selbst, als der 52-Jährige bei der Polizei einvernommen wurde, habe er die aufgetischten Schilderungen geglaubt.
Schließlich sei es ja auch zu Rückzahlungen gekommen: Als er einmal 60.000 Euro vom anderen Angeklagten zurückbekommen hat, habe er das sofort an Kreditgeber zurückgegeben.
Warum der Gottesmann sich keine schriftliche Bestätigung über das angebliche Treuhandkonto vom 52-Jährigen geben hat lassen, will der Richter wissen. Die Antwort: "Er war immer so schlagfertig."
"Da ist alles zusammengebrochen"
Erst spät war der ehemalige Pfarrer bei dem Punkt angelangt, wo er Angst bekommen hat: „Ich habe gehofft, dass das irgendwie noch wird. Wenn ich das Geld nicht bekomme, ist das eine Katastrophe für mich.“
Als ihm die Polizei bei der Einvernahme gesagt hat, dass der Mann ein Betrüger sei, „ist alles für mich zusammengebrochen“.
Jetzt sei ihm klar, dass es ein Fehler war, nie konkrete Rückfragen getätigt zu haben. „Ja, wenn ich früher gefragt hätte, hätten sich viele erspart, Geld zu verlieren.“ Bis zum Schluss habe er daran festgehalten und geglaubt, dass das Geld kommt.
„Ich habe ja gar nicht dran glauben können, dass das ein Betrüger ist“, war der ehemalige Pfarrer entsetzt, als die Polizei ihm das Foto des 52-Jährigen gezeigt hatte.
Der Diözese Schulden verheimlicht
„Ich war mit Leib und Seele Seelsorger. Als ich enthoben wurde, war ich aus dem Geschirr“, erinnert sich der Ex-Pfarrer. Die Enthebung war am 12. April 2022, kurz vor Ostern, dem wichtigsten Fest im kirchlichen Jahreskreis.
Selbst, als er schon seiner Funktion als Pfarrer enthoben war wegen der bereits bekannten Ungereimtheiten, habe er bei weiteren Personen Geld organisiert. Immer mit dem Hintergrund, das sei notwendig, damit das Treuhandgeld fließen könne, um alle Schulden zu begleichen, betont der ehemalige Pfarrer.
Was bei der Befragung auch zu Tage tritt: Gegenüber der Diözese hat der Priester nicht die Wahrheit gesagt. Denn auf konkrete Nachfrage, wie hoch die Schulden seien, habe er "lediglich ganz geringe Summen" angegeben. "Aus Angst, dass sonst alles auffliegt", versichert der Priester.
Darunter der Kredit einer Frau in der Höhe von 150.000 Euro, die er verschwiegen hat. Und danach habe der Ex-Pfarrer ein weiteres Jahr lang Geld von diversen Schäfchen lukriert. Was einen großen Stresspegel dargestellt habe: "Spaß war das keiner."
"Es tut mir zutiefst leid und weh", gibt sich der ehemalige Priester reumütig.
Geschädigten hohe Beträge zugesprochen
Im Fall eines Schuldspruchs drohten dem Pfarrer bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe, dem 52-Jährigen sogar 15 Jahre. Ein Teil des Schadens wurde mittlerweile zurückgezahlt.
Das Gericht befand die Angeklagten in etlichen Punkten für schuldig, in anderen wurden sie freigesprochen.
Unterm Strich verurteilte der Schöffensenat den Geistlichen wegen schweren Betrugs zu neun Monaten bedingt, den 52-Jährigen wegen schweren und gewerbsmäßigen Betrugs zu einer Zusatzstrafe von zwei Jahren. Zudem müssen die beiden hohe Beträge an die Geschädigten bezahlen.
Auf den Ex-Pfarrer kommen Privatbeteiligtenzusprüche von mehr als 50.000 Euro zu, auf den anderen Angeklagten mehr als 270.000 Euro, sowie auf beide gemeinsam weitere 28.300 Euro. Beide Urteile sind rechtskräftig.
Nicht der erste Fall des Priesters
Der längst pensionierte Gottesmann ist aber nicht das erste Mal vom rechten Weg abgekommen. Und zwar quasi "einschlägig". Denn schon früher soll er als Priester von seinen Schäfchen rund 200.000 Euro abgezweigt haben. Damals hat die Diözese die Schulden beglichen, der Priester musste das Geld über sein Gehalt zurückzahlen.
Wie sich der Priester damals verantwortet hat und warum die Diözese Linz für ihn eingesprungen ist, lesen Sie hier:
➤ Mehr dazu hier: Hilfsbereitschaft wurde Pfarrer in OÖ zum Verhängnis: 200.000 Euro weg
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