Baustelle: Wenn Material und Geld knapp werden
Soeben haben wieder zwei Familien ihr Hausbauprojekt auf unbestimmte Zeit eingefroren. „Dabei wäre alles bereit zum Start gewesen. Bis vor Kurzem boten viele Unternehmen eine Fixpreisbindung an. So konnte man abschätzen, was Leistung und Material gesamt kosten würden. Damit ist jetzt Schluss. Viele Firmen schreiben nun Klauseln in ihre Verträge, dass für die Materialien tagesaktuelle Preise verrechnet werden. Das ist wie an der Börse. Die Gesamtkosten für das Haus sind somit nicht mehr kalkulierbar. Das ist für die betroffenen Familien fatal, speziell, wenn Banken aufgrund der Unsicherheit bei der Finanzierung aussteigen.“
Christian Pröll ist Baumeister und Geschäftsführer des gleichnamigen Baumanagement-Büros mit Sitz in Pasching. Die Auftragslage sei ausgezeichnet und trotzdem würden viele Baustellen beinahe stillstehen, weil die notwendigen Rohstoffe nicht verfügbar sind. „Es ist Hochsaison in der Baubranche. So abhängig von nicht beeinflussbaren Umständen waren wir noch nie. Mittlerweile sind wir sogar in jener Lage, dass nicht mal eine Kompensation der Mehrkosten hilft, weil die Baumaterialien einfach nicht aufzutreiben sind“, sagt Christian Pröll.
In Kurzarbeit
„Ja, es gibt Unternehmen, die müssen Arbeiter bei knackevollen Auftragsbüchern in Kurzarbeit schicken oder sogar beim AMS anmelden. Wir verhungern quasi bei vollen Tellern“, bringt es Markus Hofer, Fachgruppengeschäftsführer der Sparte Bau bei der WKOÖ, auf den Punkt.
An die Bauherren kann Hofer nur appellieren: „Bitte Geduld haben und nicht auf die sofortige Umsetzung der Projekte pochen. Wir raten, geplante Investitionen zu verschieben.“ Er nehme an, dass einige dieser Streitigkeiten vor Gericht landen werden. „Dabei handelt es sich in Wirklichkeit um höhere Gewalt, die ihren Ausgangspunkt in der Corona-Krise fand. Keine Baufirma kann etwas dafür, wenn Materialien nirgends zu beschaffen sind.“ Es mangelt vor allem an Stahlbeton, der von China aufgekauft wird, an Holz und an Dämmstoffen.
Die Situation ist also verzwickt, denn viele Familien stehen entweder vor ihrem zerplatzten Lebenstraum oder sind schon mitten drin in einem Bauprozess, der unerwartete Dimensionen annimmt. Von ausgehobenen Baugruben, an denen nicht mehr weitergearbeitet werden kann, von explodierenden Kosten, die jeden Kreditpuffer sprengen, und von Rohbauten, die nicht gedämmt werden können, ist die Rede. Die Schicksale sind vielfältig.
Mit Verzögerung
„Unternehmen, die schon vor zwei, drei Jahren mit Bauträgern Verträge für große Projekte zu Fixpreisen abgeschlossen haben, kommen jetzt ins Strudeln. Aktuell würden die natürlich auf hohen Mehrkosten sitzen bleiben, versuchen also mit allen Mitteln, aus den Verträgen auszusteigen“, resümiert Christian Pröll. Was Hotellerie, Gastronomie und Handel schon 2020 durchgemacht haben, schlägt in der Baubranche mit einem Jahr Verzögerung ein.
„Mit einer Beruhigung der Lage rechnen wir im Spätherbst 2021, eher sogar erst im Frühjahr 2022“, sagt Obmann Hofer.
"Gute Firmen sind auch in schwierigen Zeiten verlässlich"
Tipps. Es ist eine verzwickte Lage. Derzeit sei es äußerst schwierig, Handwerker zu finden, „deswegen raten wir, bei Verzögerungen mit der Baufirma in Kontakt zu bleiben, nachzufragen, eventuell Nachfristen zu setzen“, sagt Ulrike Weiß vom Konsumentenschutz der Arbeiterkammer OÖ.
Dieser Tipp gehe an alle, die schon mitten im Hausbau oder in der Renovierung stecken und jetzt nicht mehr weiterkommen. Ist der Baustart noch nicht erfolgt, sei es möglich, vom Vertrag zurückzutreten. „Es macht Sinn, derzeit nichts zu zahlen, was noch nicht geleistet wurde. Man kann nicht abschätzen, wie die Unternehmen aus dieser Krise rauskommen werden. Und Dinge, die nicht sofort passieren müssen, sollten in der derzeitigen Situation verschoben werden“, so Weiß.
Prinzipiell gelte: Gute Firmen sind auch in schwierigen Zeiten verlässliche Partner und werden mit den Kunden gemeinsam den bestmöglichen Weg suchen.
Viele Häuslbauer sehen sich auch mit höheren Kosten konfrontiert. Eine einseitige Preiserhöhung der vereinbarten Fixkosten ist übrigens nur zulässig, wenn sie vorab im Vertrag vereinbart wurde. „Preissteigerungen gehen immer zulasten der Unternehmen, wenn vorab ein Fixpreis ausgemacht wurde“, informiert Ulrike Weiß.
Die AK OÖ hat die umfangreiche Broschüre „Bauen ohne Ärger“ publiziert, die auf ooe.arbeiterkammer.at heruntergeladen werden kann.
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