Atzbach, nicht Utzbach

Wirte aus Leidenschaft: Karin und Johann Peter Kiener mit Tochter Viktoria
Thomas Bernhards Wirtshäuser. Im K-Vino in Atzbach wäre der Staatsschauspieler Bruscon nicht in die Provinzfalle getappt. Von Gerhard Marschall.

„Wirt in Utzbach“, sagt der Staatsschauspieler Bruscon, „die totalste Verrücktheit aller Zeiten“. Karin Kiener (60) ist nicht dieser Meinung: „Überhaupt nicht!“ Wirtin zu sein, ist für sie alles andere denn verrückt. Auch nicht in Atzbach (Bez. Vöcklabruck), wo sie und ihr Mann Johann Peter (62) seit nunmehr 40 Jahren ein Gasthaus im Ortszentrum betreiben.

Oft zu Fuß

Thomas Bernhard ist hier auch eingekehrt. Ottnang, wo er ab Anfang der 1970er-Jahre einen zweiten Wohnsitz hatte, ist gleich nebenan. Er sei oft zu Fuß gekommen, weiß die mündliche Überlieferung zu berichten, habe viel genörgelt, über dieses und jenes und alles Mögliche. Fritz Strohbach (88) kennt den anderen Bernhard, war mit ihm per Du. „Ich habe ihn immer lustig erlebt. Er war zugänglich und ist auf jeden Schmäh eingestiegen“.

Ohne Auto

Weil Bernhard damals kein Auto besaß, heuerte er Strohbach als Chauffeur an. Der kutschierte ihn drei, vier Jahre lang durch die Gegend: nach Gmunden, in den Hausruck, an den Traunfall oder zum konspirativen Treffen mit einem hochrangigen Militär. Mehrmals auch nach Ried, das doch laut Bruscon „als einer der dümmsten Orte verschrien ist“. Da und dort seien sie eingekehrt, erzählt Strohbach, hätten sie das eine oder andere Bier getrunken. Strohbach, pensionierter Vermessungsbeamter, betreibt Regionalforschung und weiß viel über die Geschichte der Gegend.

Atzbach, nicht Utzbach

Gehobene Bodenständigkeit in Atzbach

Für das große Feuer 1946 im Ort, bei dem der Kirchturm einstürzte, habe sich Bernhard sehr interessiert. Auch für die örtliche Theatergruppe, die eine lange Tradition hat. Und so saßen sie beim Wirt in Atzbach, der Schriftsteller und der Heimatforscher, und sprachen darüber, wie das so ist mit dem Theatermachen auf dem Land. Der Wortklang von Atzbach hatte es Bernhard angetan, im Stück „Der Theatermacher“ wurde daraus Utzbach. Dort, im Gasthaus „Schwarzer Hirsch“, lässt er Bruscon mit seiner Theatertruppe – der namenlosen Ehefrau, Sohn Ferruccio, Tochter Sarah – auf Tournee über die Dörfer landen und daran verzweifeln. Im Grunde sei alles hier eine einzige Tragödie, lamentiert er: „Nicht einmal zum Wasserlassen habe ich diese Art von Gasthäusern betreten.“

Aus dem Wirtshaus wurde ein Restaurant

Die Kieners nehmen die Suada gelassen. Utzbach ist eben nicht Atzbach, und zur Werbung taugt Bernhard allemal. Immer wieder suchen Menschen hier die Nähe zum 1989 verstorbenen Schriftsteller. Das einstige Wirtshaus ist heute ein Restaurant und nennt sich K-Vino. Aus der Küche kommt Mediterranes und Österreichisches, alles in bester Qualität. Die Gäste kommen von weitum, schätzen die gehobene Bodenständigkeit. Die Wirtsleute könnten die Pension genießen.

Atzbach, nicht Utzbach

Fritz Strohbach: Bernhard ist auf jeden Schmäh eingstiegen

"Wir machen weiter"

Sohn Hans-Peter (36) hat den Betrieb bereits übernommen, Tochter Viktoria (32) schupft den Service. „Weil wir zu hören bekommen, dass sich die Leute bei uns wohlfühlen und dass es ihnen schmeckt, machen wir weiter“, sagt Karin Kiener. Ausgerechnet heute sei „Blutwursttag“, ereifert sich Bruscon und befürchtet, dass Schlachtungsgestank die abendliche Aufführung zerstören könnte. Andererseits sei es „ein Vorteil in einem Gasthaus abzusteigen, das gleichzeitig auch eine Fleischhauerei ist“. Wie zum „Schwarzen Hirsch“ in Utzbach gehört zum Kiener in Atzbach seit jeher eine Metzgerei. Beim Kiener wird allerdings nicht mehr geschlachtet, nur noch zerlegt. Gewurstet wird am Montag. Der Rinderbraten mit Serviettenknödel auf der Tageskarte darf als Reverenz an Bernhard verstanden werden.

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