80 Prozent der Insekten sind verschwunden

Beim Aufkommen der Schmetterlinge gibt es je nach Lebensraum große Unterschiede
Insektensterben. In Oberösterreich fehlen viele Bienenarten und Insekten, die Nahrung für Vögel sind. Rund 80 Prozent aller Vögel sind betroffen.

Beim Autofahren fällt auf, dass deutlich weniger Fliegen auf der Windschutzscheibe verenden. In den vergangenen Jahren ist nicht nur die Anzahl der Insekten dramatisch zurück gegangen. Auch die Artenvielfalt ist deutlich geringer.

Der Gesamtrückgang der Menge der Insekten betrug in deutschen Naturschutzgebieten rund 80 Prozent zwischen 1989 und 2014. Das haben Untersuchungen des Welt-Biodiversitätsrates und des Naturschutzbundes Deutschland ergeben. Betroffen sind unter anderem Bienen, Schwebfliegen und Schmetterlinge.

Ganz extrem ist es in bestimmten Gebieten in China, wo Bauern Menschen fürs Bestäuben der Pflanzen bezahlen. In den USA rufen Bauern die Vermieter von Bienen an, die dann mit Trucks voller Bienenstöcke anrücken, um die Bestäubungen vorzunehmen.

In Österreich gibt es mindestens 40.000 Insektenarten bei 46.000 Tierarten. Etwa 30.000 davon sind in Oberösterreich angesiedelt. „Uns fehlen unter anderem viele Bienenarten“, sagt Fritz Gusenleitner im Gespräch mit dem KURIER. Er ist Bereichsleiter für Naturwissenschaften und Sammlungsleiter im Bereich der Entomologie im Biologiezentrum Linz.

80 Prozent der Insekten sind verschwunden

„Begibt man sich auf die Suche nach Ursachen, stößt man auf eine bunte Mischung.“ Fritz Gusenleitner, Biologiezentrum Linz

Quantitativ bewege man sich beim Rückgang etwa dort wo Deutschland steht. Das sind etwa 80 Prozent der Gesamtmenge an Insekten. „Aber es kommt immer darauf an, ob ich mir wie in Deutschland Naturschutzgebiete anschaue, oder vom Menschen genutzte Flächen“, meint er. Je anpassungsfähiger eine Insektenart ist, desto beständiger würde sie sich halten. Es komme folglich auch stark auf die Art an.

Eine Abwärtsspirale ist zu beobachten: Fehlt es den Insekten an Nahrung, setzt ein Insektensterben ein. Viele Pflanzen werden nicht mehr bestäubt und insektenfressenden Vogelarten fehlt die Nahrungsgrundlage. Laut Gusenleitner betrifft das etwa 80 Prozent aller Vögel. „Die Brut verhungert, weil die Elterntiere weitere Wege und längere Zeit zum Suchen der Nahrung auf sich nehmen müssen“, sagt er. „Außerdem werden 80 Prozent der Nutzpflanzen von Insekten bestäubt. Begibt man sich auf die Suche nach Ursachen, stößt man auf eine bunte Mischung.“

Luftverschmutzung

Zoologe und Insektenfachmann Gerhard Tarmann meint: „Wir haben Beweise, dass die Luft schwer vergiftet ist. Es gibt Umweltveränderungen, die unumkehrbar sind.“ Laut Gusenleitner werden Giftstoffe über die Luft auf andere Gebiete weiter getragen, wo sie ursprünglich nicht sein sollten.

80 Prozent der Insekten sind verschwunden

„Was uns im alpinen Raum noch Arten rettet, ist die Dynamik der Natur.“ Gerhard Tarmann, Zoologe und Insektenfachmann

Tarmann, ehemaliger Leiter der naturwissenschaftlichen Abteilung der Tiroler Landesmuseen, beschäftigt sich intensiv mit den heimischen Schmetterlingen und ihrem Schutz. „Es gibt große Unterschiede in Bezug auf das Insektenaufkommen bei unterschiedlichen Flächen“, sagt er gegenüber dem KURIER.

Eine natürlich bewachsene Fläche habe ein vielfach höheres Artenaufkommen als eine Fläche, wo der Mensch in die Natur eingegriffen hat. „Was uns im alpinen Raum noch Arten rettet, ist die Dynamik der Natur.“ Damit gemeint sind Veränderungen wie Hochwasser oder ein Hangrutsch, wo es danach wieder eine andere Grundlage für Insekten gibt. Das erhöhe die Biodiversität.

80 Prozent der Insekten sind verschwunden

In deutschen Naturschutzgebieten wurde ein Rückgang der Insektenmenge um 80 Prozent verzeichnet, ähnliches kann von österreichischen Naturflächen angenommen werden

Der Klimawandel bewirkt laut Gusenleitner eine Verdichtung der Vegetation. Außerdem spiele auch die Lichtverschmutzung eine massive Rolle beim Insektensterben. „Sie lässt jedes Jahr Milliarden von Insekten zu Tode kommen.“

Rund 60 Prozent der wirbellosen Tiere sind nachtaktiv. Auch die Insekten zählen dazu. „Diese 60 Prozent sind am massivsten betroffen“, sagt er. Das sei vergleichbar mit einer Flutlichtanlage im Schlafzimmer eines Menschen. „Wer bei vollem Flutlicht schlafen muss, wird davon krank.“ Ähnlich sei das bei Insekten. Mittlerweile gibt es laut Tarmann LED-Lampen mit Frequenzen, die kaum oder keine Insekten anlocken.

Gusenleitner meint abschließend: „Wir haben zu wenige Insektenkundige. Wir können nicht einmal alle Arten benennen.“

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