Heute, 50 Jahre später, führt Bernhard Lehner mit Begeisterung fort, was Franz Neuhauser begonnen hat. Er ist aktiver Zivildiener beim Roten Kreuz in Steyr: "Es war für mich klar, dass ich zur Rettung will. Ich möchte der Gesellschaft etwas zurückgeben und auch medizinisches Wissen für meine Familie und Freunde sammeln.“ Wenn der 22-Jährige in einem Monat seinen Zivildienst beendet, steht fest: "Ich bleibe ehrenamtlich dabei.“
Besonders schön seien für den Mechatroniker die vielen, kleinen Momente der Dankbarkeit: "Die Freude darüber, dass sich auch junge Menschen engagieren, ist unbezahlbar. Ich habe sehr viel fürs Leben gelernt“, erzählt Lehner im KURIER-Gespräch. Mit diesen Erfahrungen ist der junge Mann nicht alleine: Neun von zehn Zivis würden sich wieder für den Zivildienst entscheiden. Nach einer vierwöchigen Grundausbildung, 160 Stunden im Rettungsauto und der Rettungssanitäterprüfung sind Zivildiener beim Roten Kreuz unter anderem als Einsatzlenker dabei.
„Greife keine Waffe an“
Als Franz Neuhauser im April 1975 seinen Dienst antrat, war der Gegenwind der Gesellschaft Zivildienern gegenüber oft rau: „Wir wurden beschimpft, unter anderem auch von Kriegsveteranen, die unsere Einstellung nicht verstehen konnten“, erinnert sich der Pensionist. Damals gehörte viel Mut dazu, sich für den Zivildienst zu entscheiden.
Er sei schon immer ein politischer Mensch gewesen, in der Zeit des Vietnamkrieges seien die Bilder von eben dort omnipräsent gewesen: "Für mich war klar, ich nehme im Krieg keine Waffe in die Hand.“ Deswegen habe er auch verweigert.
Nach wenigen Wochen an der Dienststelle des Roten Kreuzes in Steyr war für Franz Neuhauser fix: "Das ist mein Zukunftsberuf.“ Der gelernte Tischler sattelte um und arbeitete bis zu seiner Pensionierung vor fünf Jahren hauptberuflich als Notfallsanitäter beim Roten Kreuz.
Ehrenamt
Nach wie vor ist er ehrenamtlich aktiv. "Dabei war und bin ich immer der Vater der Zivildiener gewesen.“ Als es noch die Gewissensprüfung gegeben habe, habe er jene jungen Männer, die den ersten Durchgang nicht geschafft hatten, für den zweiten Durchgang vor der Kommission vorbereitet und auch begleitet: "112 habe ich beraten, alle sind Zivildiener geworden.“
Der Präsident des Roten Kreuz Oberösterreich, Gottfried Hirz, versichert: "Die Zeiten haben sich geändert. Längst gelten Zivildiener als systemrelevante Leistungsträger in unserer Gesellschaft.“ Beim oberösterreichischen Roten Kreuz seien sie bei einem Drittel der Rettungseinsätze dabei und unverzichtbar. "Wenn wir unser Niveau halten und weiterhin innerhalb von 11,1 Minuten im Durchschnitt bei einem Notfall sein wollen, brauchen wir sie unbedingt“, betont der Präsident.
Das Engagement und was die Zivis in ihren neun Monaten lernen, sei für die Gesellschaft wichtig, sagt der 71-jährige Franz Neuhauser: „Die jungen Männer kommen ja auch privat zu Notfällen und wissen dann genau, was zu tun ist.“
Große Tragödien in seinem Beruf seien immer Kindernotfälle gewesen, besonders schön Geburten: "Ich erinnere mich noch, dass wir im Winter zu einer Geburt auf einen Bauernhof geholt wurden. Als wir ankamen, hörten wir schon Babygeschrei und die Großmutter des Hauses grinste uns an und sagte: ‚Ich hab’ das schon geregelt.’ Das sind natürlich wunderbare Erinnerungen.“
Mangel an Zivis
14.892 Zivildiener wurden im vergangenen Jahr in Österreich diversen Einrichtungen zugewiesen. Das ist erfreulich, weil es die dritthöchste Zahl seit Bestehen des Zivildienstes ist. Und das, obwohl vielerorts um Bewerbungen gerungen.
Beim Roten Kreuz in Oberösterreich macht man den demografischen Wandel und die steigende Untauglichkeit der jungen Männer für die fehlenden Zivis aus: „Wir könnten pro Jahr 690 Zivildiener brauchen, derzeit haben wir ca. 630“, rechnet Präsident Gottfried Hirz vor. Die Zahl der Nicht-Tauglichen liege derzeit außerdem bei 25 Prozent. "In den vergangenen Jahren sind auch vermehrt psychische Erkrankungen als Grund für die Untauglichkeit dazugekommen“, so Hirz.
Keine Gewissensprüfung mehr
Die Gewissensprüfung für Zivildiener wurde 1992 abgeschafft. Bis heute müssen Anwärter aber ein Dokument unterschreiben und abgeben, in dem sie erklären, die Wehrpflicht aus Gewissensgründen nicht erfüllen zu können und deshalb Zivildienst leisten zu wollen.
Mit der Genehmigung geht auch ein Waffenverbot für 15 Jahre einher, Ausnahmen gibt es in begründeten Fällen für Jäger, Sportschützen und Angehörige traditioneller Schützenvereine. Außerdem können alle, die ihren Zivildienst gänzlich abgeleistet haben, das Erlöschen der Zivildienstpflicht beantragen. So steht beispielsweise auch einer Karriere bei der Polizei nichts im Wege.
Was heuer 80 Jahre nach Kriegsende wichtig ist zu wissen: Junge Männer können auch als sogenannte Gedenkdiener, etwa an der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, arbeiten.
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