30.000 Stück „schwarzes Gold“ lagern in Linzer Plattenladen

30.000 Stück „schwarzes Gold“ lagern in Linzer Plattenladen
Das Vinyl feiert seine Renaissance. Musikverkäufer Josef Kernacs erkannte den Trend.

Sie sind rar geworden, die klassischen Plattenläden, in denen es nach vergilbtem Karton der Plattenhüllen riecht, Bananenkisten voll mit Vinyl-Tonträgern am Boden herumstehen, während im Hinterzimmer geraucht werden darf. Ein solches Fachgeschäft – das einzige seiner Art im Land – liegt an der viel befahrenen Herrenstraße. Im Vinyl Corner, wo man vergeblich CDs sucht, entlockt die Plattennadel dem schwarzen Vinyl sanfte, jazzige Töne, während der Chef, Josef „Josi“ Kernacs, seine Kunden begrüßt.

Mit seinem grau meliertem Haar und einem olivfarbenen Militärhemd mit einem aufgestickten Schriftzug der Musikerin Patti Smith wirkt er wie ein Plattenverkäufer aus dem Bilderbuch. Gerade feierte sein Laden sein fünfjähriges Bestehen. Im Angebot hat er mehr als 30.000 neue und gebrauchte Tonträger aller Genres – angefangen von Schlager über Klassik bis zu Rock.

„Ich habe gerade richtig zum Revival der Schallplatte aufgemacht“, sagt der 49-Jährige, der eine steigende Nachfrage nach den großen Scheiben beobachtet. Auch die Musikindustrie hat den Trend erkannt. Sie bringt so viele Platten wie schon lange nicht mehr an die Hörer und legt beim Verkauf schon einmal gratis eine CD dazu.

Wärme

Gründe, warum die Tonträger mit der Rille so reizvoll sind, gebe es viele: „ Die Musik klingt viel wärmer als von der CD. Und sobald man eine gute Anlage hat, ist der Sound um Klassen besser.“ Dazu komme, dass man etwas in der Hand habe. Um das auch zu veranschaulichen, kramt Kernacs sogleich eine Platte der walisischen Progressive Rock-Band „Man“ hervor und klappt im Inneren der Hülle eine große gezeichnete Landkarte von Wales auf.

Zustimmung bekommt er auch vom Kunden Gerold Luritzhofer, der gerade die Plattenstöße durchwühlt. „Die Hüllen sind richtige Kunstwerke. Da ist oft ein spezielles Design dahinter“, sagt er und verweist auf das legendäre „Sticky Fingers“-Album der Rolling Stones, dem Andy Warhol einen Reißverschluss aufs Cover genäht hat.

Das Publikum im Laden ist bunt gemischt und geht quer durch alle Altersschichten. „Das ist wie eine große Familie“, meint Kernacs. Was besonders auffällt sei, dass sich mittlerweile viele junge Menschen eine Plattensammlung zulegen. Und zwar nicht nur mit elektronischer Musik, was nahe liege. „Man merkt wie die Liebe erwacht.“ Liebhaber blättern für besondere Tonträger gut und gerne 150 Euro hin. Stark nachgefragt bei den Kunden seien rare Krautrock-Platten aus den 70ern, aber auch Pressungen aus den 90ern, als die CD die Platte zunehmend zu verdängen drohte.

Zufall

Nur eine Gruppe besuche das Geschäft kaum. „Klassische Ö3-Hörer kommen nicht vorbei“, sagt der Besitzer, der seit fast 30 Jahren Musik verkauft. Lange arbeitete Kernacs bei großen Elektronik-Ketten, bis der Zufall zuschlug. Als die Schallplatten-Fundgrube in der Altstadt 2007 zusperrte, wagte er den Schritt in die Selbstständigkeit. „Ich habe mir gedacht, einen Plattenladen verträgt Linz auf jeden Fall.“ Damit sollte er Recht behalten. Denn ständig kommen Menschen in das Geschäft, die nach dem passenden „schwarzen Gold“ suchen.

Lange Zeit waren die Schallplatten, die sich auf den legendären Technics-1210-Plattenspielern drehten, fixer Bestandteil in der Hip-Hop-Kultur und in den unterschiedlichsten Richtungen elektronischer Tanzmusik.
Doch in vielen Discos und Clubs machten in den vergangenen Jahren die „Wheels of Steel“ den CD-Playern und Laptops Platz. Einer, der nach wie vor zum Vinyl steht, ist der Linzer Techno-Veteran Eric Fischer. Der DJ und Gründer des Danube Raves nennt 12.000 Platten sein Eigen und möchte sie nicht missen, wenn er den Tanzwütigen einheizt. „Ich lege wegen der Haptik, des unverwechselbaren Klangs und des persönlichen Bezugs aus 30 Jahre als DJ mit Vinyl auf.“ Die Entwicklung, dass viele Kollegen auf silberne Scheiben umsteigen, sei eben der Lauf der Dinge. Nachsatz: „Wenn einer mit Platten dasselbe Programm wie einer mit CDs spielt und bei beiden das Stimmungsbarometer hoch ist, dann wird ersterer immer mehr Hang zum Stil haben.“

Anders sieht es bei Insulin Junky aus. Der Ennser, der sich seine Sporen in der Linzer Großdisco Empire verdient hat und die Massen der riesigen Tanztempel begeistert, setzt auf die CD. Wiewohl er mit Vinyl „impulsive Erinnerungen an eine vergangene Zeit verbindet, als Musik noch ihre Wertigkeit hatte“. Dass er trotzdem auf die kleinere Scheibe setzt, hat pragmatische Gründe. „In den meisten Clubs sind keine funktionierenden Laufwerke mehr zu finden. Außerdem erscheinen immer weniger aktuelle Tracks auf Schallplatten.“ Ein Vorteil sei auch, dass eine CD-Tasche um vieles leichter als eine Plattenkiste sei. Ganz auf Digital umzusteigen, und die Stücke vom Computer zu spielen, werde er nie. „Der Funke springt da nicht so gut rüber.“

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