23 Prozent sind für Abriss des Hitler-Hauses

Hitlerhaus in Braunau, Oberösterreich
Große Mehrheit ist laut Umfrage für eine „kontextualisierte Weiternutzung“ des historisch belasteten Gebäudes in Braunau.

Noch findet sich die Initiative „Diskurs Hitler-Haus“ nicht damit ab, was das Innenministerium mit dem historisch belasteten Haus in Braunau, Salzburger Vorstadt 15, machen will. Jenem Haus, in dem am 20. April 1889 Adolf Hitler zur Welt kam.

Deshalb wurde eine Studie in Auftrag gegeben, die ein Stimmungsbild in Österreich zu diesem Thema abfragen sollte (1.000 Befragte).

Das Ergebnis: 23 Prozent sind für einen Abriss, fünf Prozent dafür, das Haus verfallen zu lassen. 53 Prozent hingegen sprachen sich für eine „kontextualisierte Weiternutzung“ aus – also für eine Nutzung, die Bezug auf die historische Belastung nimmt.

So waren 14 Prozent für die Einrichtung eines internationalen Gedenkdienstes an diesem Standort. 13 Prozent sprachen sich dafür aus, eine Filiale des Hauses der Geschichte einzurichten, neun Prozent waren für ein Haus der Verantwortung, ebenso neun Prozent für ein Haus des Friedens unter Einbindung des Friedensbezirks Braunau.

Nur sechs Prozent sprachen sich für die geplante Polizeiinspektion aus.

Beauftragt wurde die Studie von der Initiative „Diskurs Hitler-Haus“. Die drei Braunauer Eveline Doll, Erich Marschall und Reinhold Klika setzen sich darüber hinaus gemeinsam mit dem Architekten Franz Denk sowie dem Historiker Roman Sandgruber für eine transparentere Vorgehensweise in dieser Angelegenheit ein.

23 Prozent sind für Abriss des Hitler-Hauses

Erich Marschall, Eveline Doll und Reinhold Klika von der Initiative "Diskurs Hitler-Haus" kämpfen weiter gegen die geplante Nutzung als Polizeistation

Seit 2019 gibt es den Beschluss der Republik Österreich, dass das Haus „neutralisiert“ wird. Nach dem Umbau (voraussichtlich ab 2026) ist eine Polizeiinspektion samt Krisenkoordinationszentrum für den Zivilschutzbereich vorgesehen.

Diesem Plan folgt das Innenministerium derzeit. 2020 gab es einen Architekturwettbewerb, den Historiker Sandgruber jedoch kritisiert: Eine Polizeiinspektion brauche keinen Architekturentwurf, der das Haus zu etwas Besonderem mache.

„Die Zuschreibung als Hitlers Geburtshaus wird das Haus nach dem Umbau in dieser Retro-Ästhetik erst recht nicht verlieren“, erklärt Sandgruber und ergänzt: „Adolf Hitler hat im Geburtshaus nur die ersten drei Monate seines Lebens verbracht. Auch Braunau hat ihm nie wirklich viel bedeutet. Den Ort hat er, anders als andere Orte aus seiner Kinder- und Jugendzeit wie Fischlham, Lambach und Leonding sowie Linz, auch nie besucht, als er berühmt geworden war.“

"Stigmatisierung"

Architekt Franz Denk kämpft nach wie vor gegen die „Stigmatisierung in Braunau“, zu der seiner Ansicht nach der Bund mit dem „Verräumen und Verstecken“ beigetragen habe.

So habe er bereits 1993 in seiner Diplomarbeit ein „Haus der Zeitgeschichte“ vorgeschlagen – kein Museum, sondern eine aktive und aktuelle Auseinandersetzung mit Geschichte und Gegenwart gefordert.

„Die jetzige Vorgangsweise ist eine Fortsetzung der jahrelangen Vergangenheitsverleugnung. Man will sich dem Problem nicht wirklich stellen.

Das ist eigentlich ein Skandal“, sagt der in Braunau geborene Denk. Die Wettbewerbsvorgabe einer „Neutralisierung“ hätte zudem „zu einer Disneyland-Architektur geführt“, das sei eine „Anpassung, die der Täuschung diene, anstatt zu fragen oder aufzuklären“.

Ein Haus der Geschichte hält Sandgruber wiederum für „absurd“, das gebe es nicht einmal in Wien. Er plädiert dafür, das Gebäude „neutral weiter zu nutzen und Hitler nicht zu überhöhen“.

"Symbolkraft entziehen"

Florian Kotanko, Obmann Verein Braunauer Zeitgeschichtetage, spricht beim Architekturwettbewerb von einem Fehler, da dieser das Haus überhöhe: „Er spricht dem Haus eine Bedeutung zu, die es nicht verdient.“ Eveline Doll hält zudem fest, dass sich die Baukosten für eine Neutralisierung von fünf Millionen auf 20 Millionen Euro vervierfacht haben.

Das Innenministerium hält an seinen Plänen fest und folgt weiterhin der Empfehlung der „Kommission zum historisch korrekten Umgang mit dem Geburtshaus Adolf Hitlers“, das Gebäude einer sozialkaritativen oder behördlich-administrativen Nutzung zuzuführen und „durch tiefgreifende architektonische Umgestaltung den Wiedererkennungswert und damit die Symbolkraft zu entziehen“.

Denn jedes Museum oder Veranstaltungsstätte, die sich der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit widme, würde die Verbindung mit der Person Hitlers fortschreiben, heißt es aus dem BMI.

Ein Vorteil der Nutzung durch die Polizei sei, dass Verwaltung und Nutzung des Gebäudes in einer Hand liegen würden. Damit sei eine Gewährleistung des gesetzlichen Enteignungszwecks sichergestellt.

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