NÖ: Fußballverband ließ jungen Afghanen "altern"
Die Sonne brennt auf den Sportplatz im St. Pöltener Stadtteil Pottenbrunn, die Burschen und Mädchen des örtlichen Fußballklubs kommen deshalb beim Training schnell auf Betriebstemperatur. "Spiel ab", ruft ein Kicker Reza Hossaini zu. Der schlägt einen Haken, passt zum Stürmer, der Ball baumelt im Netz. Zufrieden beobachtet Trainer Markus Rohn das Treiben, für den gelungenen Pass seines Schützlings Reza Hossaini gibt es ein anerkennendes Nicken.
Der junge stämmige Afghane ist mittlerweile eine feste Größe in dem Team. Für Meisterschaftsspiele "seiner" U12-Mannschaft steht er allerdings nicht mehr zur Verfügung. Denn der niederösterreichische Fußballverband hat festgelegt, dass der Jugendliche am 30. 12. 2003 in Kabul zur Welt kam. In seiner von der Republik Österreich ausgestellten Asylkarte, die verbindlich für alle Behörden und Institutionen gilt, ist ein anderes Geburtsdatum zu lesen: der 30. 12. 2005. Eine Geburtsurkunde besitzt Hossaini, so wie viele andere Flüchtlinge, nicht mehr.
"In der Nacht vor einem Match wurden wir vom Verband darüber informiert, dass das Alter von Reza Hossaini um zwei Jahre hinaufgesetzt wurde. Er konnte deshalb nicht mitspielen und war enttäuscht", berichtet Franz Ederer, Obmann des Vereins SKVg Pottenbrunn. Fassungslos über die Entscheidung war das Betreuerteam auch deshalb, weil niemand vom Verband kam, um den Afghanen persönlich zu treffen. Kurios: In der Mannschaft ist zumindest ein Spieler größer als der junge Flüchtling. "Gegen diesen Spieler gab es aber noch nie einen Protest", schüttelt Ederer den Kopf.
KURIER-Recherchen ergaben, dass die Causa um den kickenden Flüchtling in Pottenbrunn kein Einzelfall ist. "Zwischen manchen Vereinen gibt es schon böses Blut, weil Beschwerden eingelegt wurden. Dabei muss man sich vor Augen halten, dass es sich um Jugendfußball handelt und gelungene Integration wichtiger sein muss als Pokale", meint ein Insider.
Gratwanderung
Johann Gartner, Präsident des NÖ-Fußballverbands, weiß um die Problematik. "Ja, es ist eine Gratwanderung. Aber eine bessere Lösung haben wir leider noch nicht gefunden", sagt er. Er betont, dass ein umfassendes Gutachten zur Altersfeststellung für den Verband nicht leistbar sei. "Aus meiner Sicht gibt es aber in 95 Prozent der Klubs keine Probleme. Schließlich ist es ja oft möglich, dass der Spieler in ein Team kommt, wo ältere Mitspieler kicken."
Reza Hossaini will aber unbedingt weiter mit seinen Freunden in der U12 Tore schießen. Kommende Woche wird der Verein deshalb Schreiben an die für den Sport zuständige Landesrätin Petra Bohuslav und an Integrationsminister Sebastian Kurz schicken. "Die derzeitige Vorgangsweise ist reine Willkür", sagt Ederer.
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