Der Start in das neue Jahr 2021 begann in Wiener Neustadt mit einer traurigen Meldung: Alt-Bürgermeisterin Traude Dierdorf (SPÖ) ist nach schwerer Krankheit im 74. Lebensjahr verstorben. Als „Persönlichkeit, die der Stadt ein menschliches und soziales Antlitz verliehen hat wie kaum jemand zuvor“, bezeichnet sie ihr ehemaliger politischer Gegner und nunmehrige Bürgermeister Klaus Schneeberger (ÖVP).
Als „waschechte Wiener Neustädterin“ hatte sie nie andere Ziele, als in ihrer Heimatstadt politisch tätig zu sein, weil sie die Stadt und vor allem die Menschen liebte. Ihre Polit-Laufbahn begann in der Gewerkschaftsjugend. 1985 wurde sie Stadträtin, 1993 unter dem damaligen Stadtoberhaupt Peter Wittmann (SPÖ) Vizebürgermeisterin. Und 1997 folgte sie ihm als Bürgermeisterin.
Ihr politischer Stil war von zwei Punkte geprägt: Sie wollte Wiener Neustadt zur Sozialhauptstadt Niederösterreichs machen und sie hatte für die Menschen immer ein offenes Ohr. Manchmal schwänzte sie sogar offizielle Termine, weil so viele Menschen zu ihre Sprechstunden gekommen waren. Und in einer Zeit, als in den Kommunen eher das Sparen angesagt war, schaffte sie in der Magistratsverwaltung Platz für rund 60 Lehrlinge. Trotz einer Warnung des Kontrollamts, dass das zuviel kosten würde. Aber da hielt sie sich an Bruno Kreisky, dass ihr das Loch in der Stadtkasse weniger Sorgen bereitete, als dass Stadtbewohner arbeitslos sein müssen.
Absolute Mehrheiten
Ihr Umgang mit den Bewohnern der Stadt fand auch beim politischen Gegner Anerkennung. Klaus Schneeberger formulierte es in einer ersten Reaktion auf ihr Ableben so: „Was die Präsenz, die umgängliche Art und das Zugehen auf die Wiener Neustädter anlangt, so habe auch ich mich immer gerne an Traude Dierdorf orientiert.“ Dieses Zugehen konnte sie auch in politische Erfolge ummünzen. Bei der Wahl 2005 fuhr sie mit 61,58 Prozent eine so klare absolute Mehrheit für die SPÖ ein, dass sie eigentlich als politisch unantastbar galt.
Dennoch trat sie im selben Jahr zurück und Bernhard Müller (SPÖ) folgte ihr nach. „Aus gesundheitlichen Gründen“, wie es in einer offiziellen Stellungnahme hießt. In diesem Jahr hatte allerdings auch eine Grundstücksaffäre im Bereich der Civitas Nova für großen Wirbel gesorgt. Dierdorf fühlten sich von eigenen Genossen verraten, wie sie zwei Jahre nach dem Rücktritt in einem Interview mit Michael Wehrl auf WNTV deutlich machte. Da sprach sie davon, dass Politik krank mache und dass der Spruch „Feind, Todfeind, Parteifreund“ stimme. Mittlerweile hatte sie sich wieder mit der SPÖ – „Ich bin eine Sozialdemokratin durch und durch“ (Dierdorf) – ausgesöhnt. Das Seniorenheim der Stadt erhielt ihren Namen und 2015 wurde sie zur Ehrenbürgerin ernannt. Allerdings bereits von einem ÖVP-Bürgermeister in ihrer ehemaligen roten Hochburg.
Ein besonderes Verhältnis hatte sie auch zum ehemaligen ÖVP-Landeshauptmann Erwin Pröll. Nach anfänglichen Konflikten wurde ein gemeinsamer Weg gefunden. Das bedeutendste Ergebnis davon ist das Krebsforschungszentrum MedAustron in Wiener Neustadt. Vom Land wurde Dierdorf mit dem Silbernen Komturkreuz für ihre Verdienste gewürdigt.
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