Geht es nach Erwin Reidinger, der sich mit mittelalterlicher Stadtplanung beschäftigt, dann hätte es diese Feiern nicht geben dürfen. In seinem Buch „Planung oder Zufall“ belegte er detailliert, dass Wiener Neustadt bereits im Jahr 1192 gegründet worden war. Sein Buch erschien aber erst ein Jahr nach den 800-Jahr-Feierlichkeiten.
Lösegeld des Richard Löwenherz
Das führte dazu, dass in der Stadt wieder das Jahr 1192 als Geburtsdatum verankert wurde. Besonders wichtig war das bei der Landesausstellung 2019 in Wiener Neustadt. Da wurde den Stadtvermittlern im Vorfeld eingetrichtert, dass 1192 als Datum genannt wird.
Auf der Homepage der Stadt ist es ebenfalls niedergeschrieben: „Im Jahre 1192 entschloss sich der Babenberger Herzog Leopold V., inmitten der Ebene des südöstlichen Steinfeldes eine stark befestigte Stadt zu gründen. Für den Bau der ‚Neuenstat‘ konnte ein Teil des Lösegeldes des englischen Königs Richard Löwenherz verwendet werden.“
Dennoch konnte die Jahreszahl 1194 nicht ganz aus der Literatur verbannt werden. In der Publikation „Gründung der Newenstatt“ von Gertrude Sobotka aus dem Jahr 2000 etwa wird auf eine Versammlung bei Fischau im Jahr 1194 verwiesen, die die Gründungsversammlung sein könnte.
Für den Denkmalschutzverein der Stadt hat sich zuletzt Professor Josef Pasteiner mit der Debatte um die Gründung beschäftigt. Es sei für ihn ein persönliches Anliegen, sagt er zum KURIER: „Ich habe jahrelang im Gymnasium in Geschichte unterrichtet, dass Wiener Neustadt 1194 gegründet worden ist. Dafür muss ich mich jetzt im Nachhinein genieren.“
Er verweist darauf, dass das Match der zwei Jahreszahlen erst in der Nazi-Zeit eröffnet worden war. Im Jahr 1942 hat der Beamte F. Posch dem damaligen Bürgermeister nahe gelegt, dass das 750-Jahr-Jubiläum der Stadt erst 1944 fällig wäre. Gefeiert wurde es dann wegen der Kriegsereignisse überhaupt erst 1946. Mit der Konsequenz, dass bis zum Ende der 1990er-Jahre 1194 offiziell als Datum geführt worden ist.
Debatte über Gründungsjahr
Im Museum St. Peter an der Sperr soll nun heute um 19 Uhr in einer Podiumsdiskussion noch einmal das Match zwischen 1192 und 1194 stattfinden. Mit dabei auch Erwin Reidinger und Josef Pasteiner. Im Einleitungstext zu der Veranstaltung wird auf die vielen Spekulationen und die Verwirrung verwiesen, die es rund um das Gründungsdatum gibt. Erschwert wird alles, weil es keine Gründungsurkunde gibt.
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