Was die Partner Tulln und Klosterneuburg eint und trennt

Was die Partner Tulln und Klosterneuburg eint und trennt
Im Zuge der Reform geht es um die eigene Identität und die Angst vor Bedeutungsverlust.

"Wir sind die lebenswerteste Gemeinde der Welt neben einer Millionenstadt", sagt Stefan Schmuckenschlager. Deswegen kann es der Klosterneuburger Bürgermeister nicht hinnehmen, dass seine Stadt im Zuge der Auflösung des Bezirks Wien-Umgebung den Statuts der Bezirkshauptstadt verliert – und die Kennzeichen künftig mit TU für Tulln statt WU beginnen. Gerade lässt er prüfen, ob Klosterneuburg eine Statutarstadt werden könnte, "wenn es keinen Steuer-Euro kostet." Für das Taferl will er kämpfen.

Doch könnte die Stadt durch die Reform tatsächlich an Bedeutung verlieren? Nein, sagt Stadt-Umland-Manager Andreas Hacker: "In Sachen Wohnen, Versorgung, Arbeit, Freizeit und Bildung hat die Stadt so viele Angebote, dass Tulln keine wirkliche Rolle spielen wird", glaubt der Experte. Vor allem, da eine Außenstelle der Bezirkshauptmannschaft in Klosterneuburg erhalten bleibt. Zudem hätten beide Städte laut Hacker eigene, unterscheidbare Profile (siehe unten).

Identität

In ihrer Identität unterscheiden sie sich. "Klosterneuburg ist ein Vorort von Wien, wer es sich leisten kann zieht hin. Doch das Leben wird sich in Wien abspielen", sagt Hacker. Das sei auch eine große Herausforderung für die Stadt. Es gibt aber auch Lob: Die Entwicklung der Magdeburgkaserne zur Belebung der Innenstadt sei ein Projekt mit Vorbildcharakter. Tulln hingegen ist aus Hackers Sicht ein regionales Zentrum mit mehr Gemeindeleben. Das sieht auch Stadtchef Peter Eisenschenk so: "Gleichzeitig haben wir aber die sympathische Kleinstadtatmosphäre bewahrt. Das macht uns einzigartig."

Was die Partner Tulln und Klosterneuburg eint und trennt
Fakt ist, beide Städte weisen hohe Lebensqualität auf – Grünraum, Weinbau, Kulturangebote. Vor allem Tulln hat in den vergangenen Jahren aufgeholt. Ein neuer Hauptplatz belebte das Stadtzentrum, zudem hat man Egon Schiele für sich entdeckt, erzählt Agnes Feigl vom nö. Donau-Tourismus. Auch Besucher schätzen beide Orte: 84.368 Gäste nächtigten 2015 in Tulln, gar 129.788 in Klosterneuburg.

Zumindest historisch hält man sich dort für bedeutsamer. "Der Status Klosterneuburgs in Niederösterreich ist klar", sagt Schmuckenschlager. "Diesen Nimbus hätten wir gerne anerkannt." Durch einen eigenen Namen für den neuen Bezirk – "Donauraum" – oder zumindest durch die Beibehaltung des Kennzeichens. Gegen Tulln, betont er, habe er aber nichts. Immerhin hätten beide Städte die Donau als verbindendes Element. Vielleicht ist es wie in einer Ehe, überlegen manche. Gegensätze ziehen sich an – und ergänzen sich.

Als Garten-, Kunst-, Donau- und Wissensstadt gibt sich Tulln mit seinen 16.040 Einwohnern vielfältig.

Schon 791 n. Chr. wurde die Stadt in den Reichsannalen von Kaiser Karl erwähnt – heute ist sie wegen der Garten Tulln und der Messen bekannt. Dabei hat die Bezirkshauptstadt mehr zu bieten. Im Bildungsbereich punktet Tulln mit einer Krankenpflegeschule, der Landesfeuerwehrschule und dem Campus Tulln. Mit dem Forschungszentrum IFA, einem Department für Agrar-Biotechnologie der Boku und der Biotechnik-Fachhochschule ist die Stadt zu einem bedeutenden Biotech-Standort geworden. Mehr als 1300 Unternehmen gibt es in der Stadt. Die Kaufkraft beträgt 23.713 Euro pro Einwohner (Österreich-Schnitt: 20.369 Euro).

Ausgeben kann man das Geld im Stadtkern mit Einkaufszentrum und Boutiquen. Touristisch setzt man auf das Erbe als Geburtsstadt Egon Schieles und die Donau. Die Schulden Tullns liegen samt Haftungen bei mehr als 70 Millionen Euro.

Mit 26.750 Einwohnern ist Klosterneuburg hinter St. Pölten und Wiener Neustadt die drittgrößte Stadt Niederösterreichs.

1108 erstmals erwähnt, erlangte die Stadt 1113 durch den Babenberger Leopold III., den späteren Landespatron, Bedeutung. Das Stift Klosterneuburg gilt als eines der nö. "Landesheiligtümer". Zudem positioniert man sich als Stadt des Weines und der Wissenschaft. Allein 43 Buschenschanken gibt es in Klosterneuburg. Kulturell sind die Sammlung Essel sowie das Museum Gugging überregional von Bedeutung. Laut Stadtverwaltung punktet man auch mit der Wien-Nähe, die für Zuzügler und Wien- sowie Radtouristen interessant sei.

Die Kaufkraft beträgt pro Kopf 28.433 Euro; viel davon fließt jedoch nach Wien. Im Bildungsbereich spielt Klosterneuburg mit dem Forschungszentrum IST Austria in der obersten Liga. Die Schulden wurden gesenkt und liegen bei 52 Millionen Euro.

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