Vertrauen kann viel Geld kosten
Hätte er noch ein paar Tage gewartet, jener Firma vertraut, für die er 35 Jahre lang gearbeitet hat, Gerhard Otter aus dem Bezirk Neunkirchen stünde nach seiner Kündigung nicht nur ohne Job da – er wäre auch noch um ihm zustehende 31.000 Euro Abfertigung umgefallen.
Dem Kampf gegen Verfallsfristen in Kollektiv- und Arbeitsverträgen hat sich die Arbeiterkammer (AK) NÖ heuer verschrieben. In vielen der rund 700 Kollektivverträge finden sich entsprechende Regelungen – häufiger für Arbeiter als für Angestellte. Sie betreffen etwa Überstundenentgelt, Urlaubsersatzansprüche oder eben Abfertigungen.
Für die Unternehmer bedeutet der Verfall Rechtssicherheit nach relativ kurzer Zeit. Für deren Mitarbeiter heißt es: Rechtzeitig drauf schauen, was einem zusteht. Faustregel gibt es keine – die Verfallsfristen sind von Vertrag zu Vertrag unterschiedlich ausgestaltet.
"Die Dienstnehmer sind einfach gutgläubig. Sie glauben, der Arbeitgeber wird ihnen schon nichts vorenthalten, was ihnen zusteht. Vor allem, wenn sie lange für ein Unternehmen gearbeitet haben", meint Gerhard Windbichler, Bezirksstellenleiter der AK Neunkirchen. Er hat den Fall des Raumausstatters Otter betreut. Drei Monate nachdem er gekündigt worden ist, wäre der Anspruch verfallen.
"Ich hab’ mich gefühlt, als hätte ich eine Watsch’n bekommen", erinnerte sich Otter an seine Kündigung im Oktober. Seit er sich im Juli bei einem Unfall den Ellenbogen zerschmettert hatte, war er im Krankenstand. Trotzdem hat ihn der Blaue Brief überrascht: "Ich war seit meinem ersten Arbeitstag mit 15 in dieser Firma", meint er. Otter ist heute 50.
Dass er dann auch noch um seine Abfertigung streiten muss, war der nächste Schlag. Glück, dass er sich wenige Tage vor Ablauf der Verfallsfrist an die Kammer wandte – von der Existenz einer solchen Regel erfuhr er nämlich erst dort.
Mittlerweile hat er sich mit der Firma auf eine Ratenzahlung geeinigt. Als die kürzlich Firma eine Teilleistung schuldig blieb, musste Otter wieder zur Arbeiterkammer – der Verfall betrifft jede einzelne Rate.
Erloschen
Valide Zahlen zum Thema kann auch die Arbeiterkammer nicht vorweisen. In strittigen Fällen geht es meist um Abfertigungen. "Dass Arbeitnehmer während des Dienstverhältnisses zum Beispiel zustehendes Überstundenentgelt einfordern, kommt nicht vor. Die Leute riskieren das in Zeiten wie diesen nicht", erklärt Gerhard Windbichler.
Sind Ansprüche erst verfallen, hat der Arbeitnehmer keine Chance mehr, sagt AK-Expertin Doris Rauscher-Kalod: "Eine verjährte Forderung kann erfüllt werden, möglichen Ansprüchen des Arbeitgebers entgegen gehalten werden. Läuft hingegen eine Verfallsfrist ab, geht der Anspruch komplett unter."
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