Alkounfall: "Freispruch war nicht gerecht"
Dagmar Puschacher, 47, verlor im Vorjahr ihren Sohn. Heinz, 24, starb, als sein Pkw im Bezirk Melk, Niederösterreich, mit einem zweiten kollidierte, dessen Lenker 2,38 Promille Alkohol im Blut hatte. Dem Richter fehlte der Beweis, dass der Fahrer den Unfall verursacht hatte. Er sprach ihn vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei. Die Mutter notierte danach: "Ich bin heute zum zweiten Mal gestorben."
KURIER: Wäre es gerecht gewesen, wenn der Fahrer lebenslang ausgefasst hätte?
Dagmar Puschacher: Mir ist es nie um Rache gegangen. Das Strafausmaß war mir egal. Für mich war klar, dass es mit 2,38 Promille kein Freispruch sein kann.
Was wäre eine gerechte Strafe gewesen?
Ein Schuldspruch. Wenn man so schwer alkoholisiert ins Auto steigt, hat man keine Reaktion mehr. Mich hat es sehr geschmerzt, dass jemand trotzdem ohne Konsequenzen davonkommt. Ich hatte schon versucht, den Tod zu akzeptieren. Für mich hat es den Anschein, als wäre jetzt mein Sohn schuldig.
Der Richter hat im Zweifel den Angeklagten frei-, nicht ihren Sohn schuldig gesprochen.
Für mich schon. Das mathematische Gesetz besagt, dass einer Schuld haben muss. Sonst wäre kein Unfall passiert. Wenn einer freigesprochen wird, ist einer automatisch schuldig.
Macht ein Schuldspruch wirklich noch einen Unterschied?
Der Schmerz ist ein Leben lang da, die Tränen sind immer da. Es ist geht mir um Gerechtigkeit. Und das war einfach nicht gerecht.
Der Gutachter hat nicht "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" sagen können, dass der Angeklagte den Unfall verursacht hat. Sie üben Kritik am Verfahren?
Bei so einem heiklen Verfahren hätte ich mir erwartet, dass man ein zweites Gutachten eingeholt hätte. Experten gäbe es.
Würde es Ihnen helfen, mit dem Lenker, der Ihnen einen kurzen Brief geschrieben hat, persönlich zu reden?
Nein, jetzt nicht mehr. Er ist vorne gesessen und hat nur gesagt: "Ich bin unschuldig." Damit ist alles gesagt.
Wie hat sich ihr Leben seit dem Tod ihres Sohnes verändert?
Er fehlt natürlich so. Er war ein Sonnenschein für diese Erde. Er hat uns 24 Jahre lang nur Freude gemacht. Auf der einen Seite sind die wunderschönen Erinnerungen, auf der anderen Seite sind die Bilder vom Unfall und der Überbringung der Todesnachricht.
In Foren und in einer eigenen Facebook-Gruppe zum Freispruch mit fast 2200 Unterstützern gingen die Wogen hoch. Ist das in ihrem Sinne?
Tausende teilen meine Ansicht. Ich habe dreihundert Schreiben bekommen. Viele sprechen mir gut zu, bei vielen ist die Wut sehr groß. Mir sind viele sehr nahegegangen.
Wie sollte man mit Alko-Lenkern umgehen?
Für mich ist klar, dass ein Alko-Lenker eine automatische Teilschuld im Strafverfahren bekommen sollte.
Der Unfall könnte erneut vor Gericht landen – und zwar vor einem Zivilgericht. Rechtsanwalt Oliver Koch, Spezialist für Schadenersatzrecht, verhandelt derzeit mit der Haftpflichtversicherung des gegnerischen Lenkers, der Generali, über Trauer- und Schockschmerzensgeld für Dagmar Puschacher. Koch will der Mutter einen langwierigen, nervenaufreibenden Prozess ersparen. "Durch Schmerzensgeld wird ihr das Leben wenigsten etwas leichter gemacht", sagt er. Zumindest die notwendigen Therapien könnten damit finanziert werden. "Dass hier ein Anspruch besteht, ist für mich nicht verhandelbar." Die Versicherung müsse sich Koch zufolge nicht an den Freispruch halten. "Es gibt keine Bindungswirkung. Die Haftungsansprüche haben ganz andere Grundlagen."
Die Basis für das Schmerzensgeld hat ein Gutachter gelegt: Er attestierte der 47-Jährigen unter anderem eine psychische Belastungsstörung. Auf dieser Basis wird das Schmerzensgeld errechnet. Geht es nach Koch, dann sollte ein Gutachter in zwei Jahren die Frau nochmals untersuchen, um Spät- und Dauerfolgen feststellen zu können.
Sollte kein Ergebnis erzielt werden, will Koch eine zivilrechtliche Klage einbringen. Es käme dann zu einem neuen Beweisverfahren. Er hält den Freispruch ohnedies für fragwürdig. Vor allem ein neuer verkehrstechnischer Gutachter könnte dem Juristen zufolge zu anderen Ergebnissen kommen. Überdies würde Koch die Sanitäter und Polizisten aus der Unfallnacht, die im Strafverfahren nicht befragt wurden, als Zeugen laden.
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