Turm fiel mit Schrecksekunde

Turm fiel mit Schrecksekunde
Der 42 Meter hohe Glanzstoff-Wasserturm ist Geschichte. Freitag sprengte ihn die Feuerwehr im Rahmen einer Übung. Nicht ohne Schrecksekunden: Kurz verharrte er als schiefer Turm von St. Pölten, ehe er sich in 1000 Tonnen Schutt verwandelte.
Turm fiel mit Schrecksekunde

Na, bitte net – fall um’ hab i mir ’dacht. I hab schon die Filme auf youtube vor mir gesehen mit dem hämischen Kommentar ‘Schiefer Turm von St. Pölten’“. Feuerwehr-Sprengmeister Johannes Freise musste Freitag einige Schrecksekunden lang um seine Reputation bangen, ehe er zu einen Luftsprung ansetzen und seinen Brustwärmer mit Whiskey zum Einsatz bringen konnte.

Turm fiel mit Schrecksekunde

Punkt 14 Uhr erschütterte ein dumpfer Knall den Nordosten der Stadt. Nach dreimaligem Hornsignal waren 23,8 Kilo „Austro-Gel P“-Sprengstoff in 84 Bohrlöchern am Glanzstoff-Wasserturm hoch gegangen. Es schien, als ob sich der 42 Meter hohe Stahlbetonriese mit Klinkerverkleidung gegen sein Schicksal wehren wollte. Es wirkte wie eine letzte starre Verbeugung, bevor er langsam umstürzte.

„Wir haben absichtlich nicht die rechnerische Sprengstoff-Höchstmenge ausgenutzt, um den Trümmerflug zu reduzieren“, erklärt Freise, der mit einem zehnköpfigen Team zwei Tage lang die Sprengung vorbereitet hatte. Die Detonationswucht war so schon enorm, nicht umsonst war im Radius von 125 Meter alles abgesperrt. Bei einem 100 Meter vom Turm entfernten Bagger durchschlug ein Betonbrocken die Panzerglas-Scheibe.

Souvenirs

Zahlreiche ehemalige Glanzstoff-Arbeiter verfolgten das Spektakel mit Wehmut. „Schad’ is drum, es war doch ein Wahrzeichen“, meinte einer. „Traurig, das alles so zu Ende gehen hat müssen“, bedauerte ein anderer. Einige nahmen sich Ziegel als Souvenirs mit und alte Zeitschriften, die fast unversehrt aus dem 1000 Tonnen schweren Schuttberg ragten.

„Der Wasserturm war längst funktionslos und schlicht unbrauchbar – ein Fremdkörper, der nur herum gestanden ist“, begründet Glanzstoff-Techniker Alfred Plank die mit der Abbruchfirma Zöchling getroffene Spreng-Entscheidung.

Historiker wissen: Das 1941 errichtete Gebäude war ein Mahnmal skurriler Kriegsanstrengungen. Euphorische Ingenieure schwärmten damals von Mineralwasser-Seen unter St. Pölten. Man bohrte 200 Meter tief, stieß aber bloß auf mäßigen Sprudel. Dann war der Turm als Trinkwasser-Reservoir und Flak-Plattform in Verwendung, während das Werk unter anderen Fallschirmseide produzierte.

„Für unser Team war der Turm ein wichtiges Übungsobjekt“, erklärt St. Pöltens Feuerwehr-Sprengchef Peter Fahrafellner. „Man kann sehr viel simulieren, aber das nicht.“

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