Tummelbecken für ungeliebte Skitalente hat sich etabliert
Österreich nicht mehr am Thron des Skisports?
Die Krise im Österreichischen Skiverband ÖSV zieht weite Kreise. Immer mehr Insider wie der niederösterreichische ÖSV-Sportchef Herbert Mandl platzen damit heraus, dass der einst so erfolgreichen Skination durch strukturelle Fehler der Nachwuchs abhandengekommen ist. Es herrsche gähnende Leere im Pool der jungen Zukunftshoffnungen. „Das System des Skisports produziert aktuell fast nur Verlierer. Deshalb steht die einstige Skination derzeit auch so angeschlagen in der Öffentlichkeit da“, erklärt Thomas Pinkel. Der Niederösterreicher hat einen besonderen Blickwinkel auf die Misere.
Vor mittlerweile 18 Jahren hatte er mit Freunden die Vision, dem rennlauforientierten Ski-Breitensport in Österreich eine Plattform zu bieten.
Junge Talente, deren Traum vom Welt- oder Europacup nicht in Erfüllung ging, ehemalige Weltklasseläufer die verletzungsbedingt aus dem Nationalkader geflogen sind, oder „Oldies“, die immer noch einen enormen Zug am Talski haben: Sie alle tummeln sich seither im Sammelbecken der Austrian Race Series.
Pinkel war Gründer und Mann der ersten Stunde. Mit mehr als 20 Rennen in ganz Österreich und über 3.000 Startern pro Saison in drei Altersklassen ist es die größte Ski-Rennserie Europas.
Alles außer Abfahrt
Gefahren werden alle Bewerbe mit Ausnahme der Abfahrt. „Wir sind das Auffangbecken für all jene, die dem Skisport sonst verloren gehen würden“, erklärt Pinkel, der auch Leiter des Österreichischen Polizeisportverbandes ist.
Seit Jahren liege im ÖSV der Fokus bei der Ausbildung der Kleinsten darin, möglichst viele Marcel Hirschers und Stars für den Weltcup heranzuziehen. Dabei würden sehr viele talentierte Rennläufer, die mehr Zeit benötigen, verheizt und damit auf der Strecke bleiben, meint Pinkel. „Es kümmert sich niemand darum, was mit dem Potenzial jener geschieht, die Mittelmaß sind. Sie werden vom System wieder ausgespuckt“, erklärt der 58-Jährige.
Immer mehr dieser jungen Läufer landen bei den Events der Austrian Race Series auf der Reiteralm, der Gerlitzen, in Lackenhof am Ötscher oder Spital am Semmering. Abgedeckt werden fast alle Bundesländer.
Druck und Frust
Dass im System einiges schief läuft, hat vor wenigen Tagen auch ein bekanntes Gesicht öffentlich gemacht. Im Alter von 19 Jahren hat Nella Knauß, die Tochter von Ski-Legende Hans Knauß, ihre Karriere als Skirennläuferin beendet. Sie habe „den Druck und den Frust“ nach einer Verletzungspause nicht mehr ausgehalten, sagte die Sportlerin in Interviews.
Wie Pinkel, Hans Knauß und andere Insider analysieren, müsse sich die Jugendarbeit dringend ändern. Das Niveau mit dem der Nachwuchs an die Spitze herangeführt wird, sei nicht mit den steigenden Anforderungen im Weltcup gestiegen.
Die Austrian Race Series hat sich zum Ziel gesetzt, dagegen zu halten. Es ist die einzige österreichweite Rennveranstaltung, um in den Erwachsenensport einzusteigen und sich ÖSV-Punkte für das sportliche Weiterkommen zu sichern. „Quereinsteiger können sich mit den Besten der Besten in Österreich messen“, sagen die Verantwortlichen.
Trotz 3.000 Startern pro Jahr sei man mit der Race Series immer noch Bittsteller bei den einzelnen Ski-Landesverbänden, was die Austragung und Terminfindung für die Rennen anbelangt, erklärt Pinkel. Auch hier fehle das Verständnis des ÖSV, starke Nachwuchs- und Rennarbeit im Sinne des Skisports entsprechend zu unterstützen. Ziel der Verantwortlichen der Austrian Race Series ist es, „den rennlauforientierten Breitensport als einen Baustein für die Zukunft des Skisports in Österreich weiter entwickeln“.
Auch die Industrie hat das Potenzial erkannt. Namhafte Ski- und Ausrüstungsfirmen sind als Partner mit an Bord. Angedacht ist in Zukunft auch eine Art Konstrukteursmeisterschaft.
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