2019 wird als eines der blutigsten Jahre der Geschichte in die Kriminalstatistik in Niederösterreich eingehen. Mit 17 vollendeten Morden und 28 Mordversuchen (bis zum Stichtag 29. Oktober) ist es die schwärzeste Bilanz bei Gewaltdelikten seit Jahrzehnten. Zurückblickend bis Anfang der 2000er-Jahre ereigneten sich heuer bereits fast doppelt beziehungsweise drei Mal so viele Tötungsdelikte, wie in den vergangenen 15 Jahren. Den niedrigsten Wert gab es 2008 mit zwei Morden (siehe Grafik).
In fast allen heurigen Fällen waren bei Beziehungstaten Frauen die Opfer. Wegen der alarmierenden Serie rief das Land NÖ einen Gewaltschutzgipfel ins Leben. Am runden Tisch kamen Vertreter des Landes, der Bezirkshauptmannschaften, Polizei, von Gewaltschutzeinrichtungen und Frauenhäusern zusammen, um über Präventionsmaßnahmen zu diskutieren. „Wir können und wollen nicht mehr zur Tagesordnung übergehen“, sagt nun die Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF), Maria Rösslhumer.
Viele Frauen, die von Gewalt in der Familie betroffen sind, wüssten immer noch nicht, dass es Einrichtungen gibt, an die sie sich wenden können, laute der Tenor. Rösslhumer fordert mehr Geld vom Bund, um dies „flächendeckend“ und „umfangreich“ zu kommunizieren.
Niederösterreich geht dabei einen eigenen Weg und hat bereits mit einer Werbekampagne in Sachen Gewaltschutz begonnen. In 200 Spar-Supermärkten wurden Infofolder und Plakate über alle Anlaufstellen, Frauenhäuser und Notrufnummern aufgelegt.
Die zuständige Landesrätin Christiane Teschl-Hofmeister will damit einen „niederschwelligen Zugang für Betroffene“ erreichen. „Jede Frau soll wissen, wo sie sich in Krisensituationen hinwenden kann“, betont sie.
Trotz der Präventionsarbeit und massiver Werbemaßnahmen wird es laut dem stellvertretenden Landespolizeidirektor, Franz Popp, immer Fälle geben, die man nicht verhindern wird können. Bestes Beispiel sei die Familientragödie von Kottingbrunn. „Wenn die Frau zuvor sich an keine Hilfseinrichtung, kein Frauenhaus, keine Behörde, oder die Polizei wendet, dann gibt es für Außenstehende keine Alarmsignale. Wie soll man dann so einen Gewaltausbruch verhindern?“, sagt Popp.
Aber selbst wenn es Alarmsignale gibt, lässt sich so manche Tat nicht abwenden. Bestes Beispiel ist die Ohnmacht der Behörden im Fall Roland H. in Krumbach in der Buckligen Welt. Der 42-Jährige stalkte, bedrohte und terrorisierte monatelang seine Ex-Lebensgefährtin und deren Familie. Trotz zahlreicher Anzeigen und Verfahren vor Gericht konnte der Täter nicht dauerhaft aus dem Verkehr gezogen werden. Im Jänner lauerte er Silvia K. (50) vor ihrem Haus auf. Die Überwachungskameras liefen mit, als er sie mit zahlreichen Messerstichen tötete.
Auffallend ist für die Polizei im heurigen Jahr die hohe Zahl an Tätern mit Migrationshintergrund. Rösslhumer erklärte das Phänomen in einem Interview so: Viele Täter fremder Kulturen würden mit Macht- und Kontrollverlust nicht zurechtkommen.
Dieses Besitzdenken sei vor allem in Ländern verbreitet, wo bisher wenig für die Gleichstellung getan wurde. Es gäbe Länder, wie Afghanistan, Tschetschenien oder die Türkei, wo patriarchale Denkmuster stark verankert seien.
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