Taschentücher von "Fazinettel": Der Stoff, aus dem Alltagshelden sind
20 Zentimeter mal 20 Zentimeter. Mehr braucht es nicht, um ein wahrer Alltagsheld zu sein. Denn kaum ein Gegenstand wird vielseitiger eingesetzt als ein Taschentuch: Es reinigt die verstopfte Nase, trocknet Tränen, verschafft Brillenträgern Durchsicht, beseitigt Flecken, dient auch mal als Serviette oder hilft dabei, klebrige Finger wieder brauchbar zu machen. Kurzum: Ein Taschentuch ist ein echtes Must-have.
Dafür, dass das kleine Tuch in jeder Lebenslage hilft, bekommt es allerdings wenig Gegenliebe. Denn heutzutage ist das Papiertaschentuch ein klassischer Wegwerfartikel, der seinen Weg in den Müll zumeist schon – wenn auch oft berechtigt – nach nur einmaligen Gebrauch findet. Den Status als Luxusprodukt und Modeaccessoire, den das Tüchlein einst hatte, hat es längst verloren (siehe unten). Er ist der Angst vor ansteckenden Krankheiten und der Massenproduktion gewichen.
Seit 2018 zeigt ein Weinviertler jedoch, dass es auch anders geht. Daniel Weingartshofer hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Stofftaschentuch wieder unter die Leute zu bringen – weg von immer Müll, hin zu Design und Individualität, und das mit Biostoffen.
Mehr als ein „Fetzen“
„Ich wollte mich immer schon selbstständig machen“, erzählt der Unternehmer aus Großkrut (Bezirk Mistelbach). „Und zwar mit einem Produkt, das nachhaltig ist, das im tagtäglichen Leben Gebrauch findet und das Menschen hilft“, erzählt er. Zunächst wollte er Bienenwachstücher auf den Markt bringen. Bei einer Reise nach Australien fiel ihm jedoch ein Stofftaschentuch in die Hände – womit die Idee zu seinem Start-up „Fazinettel“, angelehnt an den alten italienischen Begriff für Tuch oder Fetzen, geboren war.
Doch bevor Ende 2018 das erste Päckchen mit Stofftaschentüchern ausgeliefert werden konnte, brauchte es zunächst eines: jede Menge Recherche. „Viele wissen nicht, dass in Papiertaschentüchern oft jede Menge Chemikalien stecken“, sagt Weingartshofer. Denn das Papier muss trotz Nässe zusammenhalten – weshalb sogenannte Nassfestigkeitsstabilisatoren zum Einsatz kommen. „Es lässt sich für die Kunden weder nachvollziehen, was in einem Papiertaschentuch drin ist, noch wo es herkommt“, weiß Weingartshofer. Vom Müll, der durch die Nutzung von Papiertaschentüchern entsteht, ganz zu schweigen.
Ich wollte mich mit einem Produkt selbstständig machen, das nachhaltig ist, das im tagtäglichen Leben Gebrauch findet und das Menschen hilft.
Gründer "Fazinettel"
Dennoch brauchte es für den Erfolg von „Fazinettel“ mehr als hübsche Stoffe in Bioqualität und ein passendes Format (handliche 24 mal 24 Zentimeter). Bewusstseinsbildung lautet das Stichwort – denn das Thema Hygiene sorgt noch immer für Verunsicherung. „Bei einer Verkühlung ist es tatsächlich ratsam, Papiertaschentücher zu verwenden“, so Weingartshofer. Ansonsten belegen aber sogar Studien, dass Stofftaschentücher viele Vorteile bieten, für die Haut ebenso wie für die Umwelt. „Man muss sie nur bei mindestens 60 Grad waschen und bügeln“, erklärt der Experte, der im Webshops auch Tipps für alle Stofftaschentuch-Wiedereinsteiger bietet.
Mittlerweile ist das Sortiment von „Fazinettel“ angewachsen: Taschentücher sind noch immer die beliebtesten Artikel, aber es haben sich auch Schmusetücher, Brillenputztücher, Servietten und Einstecktücher zu ihnen gesellt.
Vom Faden zum Tuch
Die Stoffe dafür – entweder Leinen oder Baumwolle – werden allesamt in Österreich hergestellt. Der benötigte Flachs wird sogar in Europa angebaut, die Baumwolle wird von verantwortungsvollen Betrieben bezogen. Biozertifiziert sind aber alle Produkte, die Weingartshofer online oder in ausgewählten Shops anbietet – inklusive Transparenz bei jedem einzelnen Produktionsschritt.
„Es war nicht leicht, dieses Projekt auf lange Sicht sinnvoll aufzusetzen“, schildert der Weinviertler, der sein Unternehmen nebenberuflich betreibt. Denn Zero Waste bedeute nun einmal auch, dass weniger Produkte gekauft werden. Sein Ziel, das Multitalent Stofftaschentuch wieder salonfähig zu machen, hat er jedoch erreicht – und damit Vorurteile sowie den einen oder anderen Müllberg gekonnt in die Tasche gesteckt.
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