Wie Freiwillige das "Massaker von Schletz" erforschten

Zwei Frauen hinter Tisch voller Funde aus Stein
Drei Jahre lang wurde rund um jungsteinzeitliche Siedlungen in NÖ geforscht. Dort gab es vor 7.000 Jahren die ersten kriegerischen Handlungen Mitteleuropas.

Sie waren Pioniere ihrer Zeit – und sie fanden ein grausames Ende. Die ersten Bauern Mitteleuropas kamen vor rund 8.000 Jahren über den Balkan in unsere Region und sie brachten eine Lebensweise: Sie wurden sesshaft und bauten Siedlungen auf, auch in der Hügellandschaft nahe der heutigen Ortschaft Schletz (Bezirk Mistelbach).

Das "Massaker von Schletz"

Doch trotz ihrer Errungenschaften waren sie vor Feinden nicht gefeit. Im Zuge von Ausgrabungsarbeiten wurde in Schletz ein Massengrab entdeckt, rund 200 Kinder, Frauen und Männer hatten dort vor 7.000 Jahren ein trauriges Ende gefunden. Zertrümmerte Schädel und fehlende Knochenteile weisen auf eine Gewalttat hin.

Das „Massaker von Schletz“ gilt als Nachweis der ersten kriegerischen Handlungen in Mitteleuropa. Und anders als in den deutschen Fundstätten Kilianstädten oder Talheim wies die DNA der gefundenen Skelette nur vereinzelt Verwandtschaftsverhältnisse auf – weshalb Wissenschafterinnen und Wissenschafter vermuten, dass auch Menschen aus der Umgebung in die Pioniersiedlung geflohen waren, um dort den sicheren Tod zu finden.

Genau diese umliegende Siedlungen, die lange Zeit kaum wissenschaftliche Beachtung fanden, standen in den letzten drei Jahren im Mittelpunkt eines Forschungsprojekts der Universität für Weiterbildung Krems.

Die Hilfe der "Citizen Scientists"

Mit mehreren Kooperationspartnern, aber vor allem mit Hilfe aus der Bevölkerung, machte man sich auf die Suche nach neuen Fundstücken. Diese „Citizen Scientists“ waren von Anfang an in das Projekt eingebunden und halfen nicht nur bei der Untersuchung der vermutlichen Siedlungsflächen, sondern auch bei der Sortierung und Aufarbeitung der Funde.

„Neben den Tausenden neuen Funden, die bearbeitet wurden, konnten wir auch das Bild der frühneolithischen Siedlungskammer deutlich verdichten“, erklärt Julia Längauer, die seitens der Universität für Weiterbildung Teil des Projektteams ist. „Es wurden nicht nur neue Fundstellen und Siedlungen entdeckt und dokumentiert, es ist uns auch gelungen für viele dieser Siedlungen die Datierung, Größe, Ausdehnung, Funktion und Dauer der Besiedelung zu bestimmen.“ Dadurch sei es auch möglich gewesen, neue Details herauszuarbeiten: Die Funde ließen Rückschlüsse auf die bevorzugte Siedlungsplatzwahl, Ressourcennutzung, Kommunikations- und Handelswege zu. Auch die Entwicklung der Siedlung im Verlauf von rund 400 Jahren konnte nachgezeichnet werden.

Es wurden nicht nur neue Fundstellen und Siedlungen entdeckt und dokumentiert. Es ist uns auch gelungen für viele dieser Siedlungen die Datierung, Größe, Ausdehnung, Funktion und Dauer der Besiedelung zu bestimmen.

von Julia Längauer

„All das wäre ohne den unermüdlichen Einsatz der Citizen Scientists nicht möglich gewesen“, ist Längauer dankbar. Wobei es natürlich nötig war, die Freiwilligen – von Studierenden bis hin zu Pensionisten und Pensionistinnen – für das Projekt theoretisch und praktisch zu schulen.

Wie die Arbeit ablief

Da das Gebiet der ehemaligen Siedlungen schon lange landwirtschaftlich genutzt wird, mussten die Felder im Winter begangen werden. Funderkennung und methodische Begehungstechniken waren dafür die Voraussetzung. Zudem wurden von zwei Schulklassen der NMS Asparn an der Zaya über den Forschungszeitraum hinweg Bodenproben genommen. Eine geochemische Analyse verriet mehr über die Herkunft der Siedler.

Die rund 20 Citizen Scientists hatten außerdem Gelegenheit, bei der Aufarbeitung der Funde mitzuarbeiten. „Das ging vom Reinigen der Funde bis hin zur Sortierung, Datierung, und Katalogisierung“, schildert Längauer. Anzahl, Größe, Gewicht und Art der Funde wurde in eine Datenbank eingetragen. Dabei durften die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch mit den Altfunden aus den Beständen der Landessammlungen NÖ arbeiten.

Durch die akribische Arbeit der Beteiligten wurden neben Reibsteinen, Klopfsteinen und Mahlsteinen auch Steinbeile, Steinklingen und Schmuckstücke gefunden. Vor allem aber konnten Keramikfragmente geborgen werden, die namensgebend für die frühe Jungsteinzeit, die linearbandkeramische Kultur, sind.

Wann die Ergebnisse präsentiert werden

Wer mehr über das Massaker und das Leben vor 7.000 Jahren erfahren möchte, sollte sich am Mittwoch, 12. November, Zeit nehmen: Im MAMUZ Museum Mistelbach werden die Ergebnisse des Projekts von Forschenden und einer Freiwilligen präsentiert. Um Anmeldung wird gebeten, Beginn ist 18 um Uhr.

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