"Stein ist die Champions League im Strafvollzug"

Christian Timm ist der neue, alte Leiter der Justizanstalt Krems-Stein.
Seit 1. September leitet Christian Timm erneut die berühmt berüchtigte Haftanstalt in Krems-Stein.

Erstmals in der Geschichte der Justizanstalt Krems-Stein nimmt einer auf dem Chefsessel Platz, der schon davor das berüchtigte Gefängnis mit fast 800 Häftlingen und mehr als 300 Wachebeamten führte. Christian Timm, 54, war von 2008 bis 2013 Anstaltsleiter in Stein. Seit 1. September ist der Akademiker mit Buben-charme neuer (alter) Leiter.

KURIER: Sie waren Vize-Vollzugsdirektor und haben Reformen des Strafvollzugs im Ministerium mitgestaltet. Ist Ihre neue Funktion nicht ein Abstieg?

Timm: Im Strafvollzug gibt es absolute Spitzenfunktionen. Dazu gehören einerseits leitende Tätigkeiten mit strategischen Aufgaben, die etwa der Generaldirektor im Justizministerium mit seinen Abteilungsleitern zu erledigen hat, andererseits Funktionen mit anspruchsvollen operativen Verpflichtungen, wie die Leitung der Justizanstalt Stein. Diese ist meiner Einschätzung nach aus kriminologischer Sicht höher einzustufen, als die Führung der Josefstadt. Sobald das Urteil rechtskräftig ist, kommen die schwierigen Leute nach Krems. Insofern ist Stein die Champions League im Strafvollzug. Mittlerweile ist das meine fünfte Spitzenfunktion, bei der ich auf einen größeren Erfahrungsschatz zurückgreifen kann.

Ihr Vorgänger war bei den Mitarbeitern umstritten. Was wollen Sie jetzt anders machen, damit wieder Ruhe einkehrt?

Wichtig ist zuerst, eine Art Cool-down-Phase herzustellen. Ich werde auf die Bediensteten zugehen, versuchen ein gemeinsames Arbeitsklima zu schaffen und alle einladen, mitzuarbeiten. Denn ein guter Kontakt zu den Mitarbeitern ist mir sehr wichtig. Sie sind die Vollzugs-Profis, ich bin nur der Teamchef, der sein Personal fördern will. In Stein ist das besonders wichtig, weil die Arbeit hier vor allem psychisch überaus anstrengend ist.

Die Justizanstalt Stein war öfters negativ in den Medien, etwa als ein Häftling in seiner Zelle vernachlässigt wurde. Sind die Wachebeamten überfordert?Die Anforderungen an den Strafvollzug steigen laufend, oft sind sie unrealistisch. Nicht für alles gibt es ein "Wundpflaster". In Stein befinden sich eben die Schwierigsten der Schwierigen. Manche sind schwer zu motivieren. Als Teamchef kann ich versuchen, mit dem Personal, das ich bekomme, das Beste zu machen. Dabei geht es vorrangig darum, die Sicherheit der Bürger durch einen sinnvollen Strafvollzug während und nach der Haft zu gewährleisten. Immerhin gibt es für 98 Prozent der Insassen ein Leben danach. Im konkreten Fall hätte der Häftling nie in Stein sitzen dürfen, weil er eine psychische Störung hatte. Er wäre ein Fall für den neuen Maßnahmenvollzug.

Braucht Stein mehr Personal?

Wenn ich mehr Personal bekomme, fehlt es woanders, weil wir in Österreich nur umverteilen können. Der Adressat dieser Frage ist die Gesellschaft. Wenn sie bereit ist, mehr Geld für den Strafvollzug auszugeben, können die Politiker mehr investieren.

Im KURIER stand die Schlagzeile: "In Haft wird es immer brutaler", teilen Sie diese Ansicht?Erstens bestehen große regionale Unterschiede. Zweitens haben wir erst vor zwei Jahren begonnen, statistische Daten über die Übergriffe auf Wachebeamte zu sammeln. Daraus schon konkrete Schlüsse zu ziehen, ist zu früh. Auch wenn es nur ein Gefühl der Mitarbeiter wäre, müssen wir das ernst nehmen – und das tue ich. Auffällig ist, dass der Ton unter den Insassen und zwischen den Mitarbeitern und Häftlingen rauer geworden ist.

Sie haben in ihrer ersten Stein-Ära ein Stufenmodell in Form eines "Sündenregisters" eingeführt, hat es sich bewährt?

Ja, gerade bei langjährigen Insassen brauchen wir ein perfektes Risikomanagement auf dem Weg zur bedingten Entlassung. Bei dem Modell gibt es je nach Strafe unterschiedlich viele Schritte. Je gravierender das Delikt, desto engmaschiger die Kontrolle. Bewährt sich ein Insasse, bekommt er von einer internen Kommission grünes Licht für eine Lockerung. Hält er sich nicht an Regeln, wird er zurückgestuft. Das bedeutet Hoffnung, aber nur für die, die sich dem stellen – das ist keine Verwöhnpackung.

Hochschulen spitzen auf das Haftareal in Stein. Wird es unter der Timm-Leitung eine Übersiedlung der Anstalt geben?

Ich bin nur der Teamchef und zuständig, dass meine Mannschaft motiviert ist. Wir spielen in jenem Stadion, das uns bereit gestellt wird. Für alles weitere ist das "Präsidium" verantwortlich.

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