Staatsanwältin: "Bin nicht der Typ, der verteidigt"

Staatsanwältin: "Bin nicht der Typ, der verteidigt"
St. Pöltens neue Chefanklägerin Michaela Schnell über Krimi-Rollenbilder, Justiz-Tempo und Karrieresprung.

Kein Hofrat, sondern eine taffe 48-Jährige leitet  jetzt die Anklagebehörde am Landesgericht in St. Pölten. Die in Perchtoldsdorf aufgewachsene Wienerin startete ihre Juristenkarriere bei einer Bank, war  U-Richterin,  im Bekämpfungsteam Organisierte Kriminalität (OK) und zuletzt Erste Staatsanwältin in Wien.

KURIER: Sie haben beim Jobstart gleich die Robe angezogen und – für viele im Gerichtssaal inkognito und für Chefankläger eher unüblich – Prozesse geführt. Zurück zur Basis?

Michaela Schnell: Ich möchte die Richter kennen lernen und ich sah es als Signal an meine Mannschaft: Die zieht sich nicht  ins Büro zurück.

Ihr Name erinnert an eine TV-Kommissarin. Im Fernsehen   werken  Staatsanwälte und Ermittler oft Hand in Hand, sind aber selten einer Meinung. Wie weit entspricht das der Realität?

Der Kriminalbeamte ist näher an Täter und Opfer dran.  Als Staatsanwalt sieht man das aus anderer Distanz, da kann es zu unterschiedlichen Meinungen kommen. Ich bin kein Freund     dessen, dass der Staatsanwalt zum Ermittler wird. Wir haben ja keine kriminalistische Ausbildung. Distanz ist gut, um die geforderte Objektivität zu wahren. Ich habe bei der Organisierten Kriminalität gesehen, dass man leicht den Blick aufs Wesentliche verliert. Niemand ist gedient, wenn man sich zu sehr in einen Fall hinein begibt.

Schnell suggeriert Tempo. Der Justiz wird Bedächtigkeit vorgeworfen. Zu Recht?

Österreich hat einen der schnellsten Justizapparate Europas. Tatsache ist, dass der Verwaltungsaufwand exorbitant ansteigt. Staatsanwälten geht dadurch viel Zeit verloren. Dazu kommt, dass in Großfällen  Beschuldigte alle Rechtsmittel-Register ziehen und bei anderen, wie  im Fall Kampusch , der Eindruck erweckt wird, nicht alles sei ausgeschöpft.  Ich wünsche mir, dass die Justiz das Vertrauen der Bevölkerung wieder gewinnt.

War Staatsanwältin schon ihr Mädchentraum?

Nein, da wollte ich Stewardess werden.  Das hat sich ergeben, weil ich nicht der Typ bin, der verteidigt.

Was lockt eine  Spitzenjuristin  in die Provinz?

 Einfach eine neue Aufgabe.  Es ist doch was anderes,  Zweiter zu sein, als  selbst Verantwortung zu tragen.

Was fällt Ihnen spontan zu St. Pölten sein?

Landeshauptstadt, ein Spital gibt es und die Glanzstoff nicht mehr (das Viskosefaser-Werk schloss 2008, Anm.). Der Bürgermeister hat mir   viel schmackhaft gemacht,   das werde ich  abarbeiten.  Ich wäre gern zum  Frequency-Festival gegangen, aber da bin ich auf  Urlaubsreise.

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