Wahl naht: Stadtchef Stadler über böse Gerüchte, FPÖ und das Rewe-Lager

Bürgermeister Matthias Stadler
Seit 21 Jahren regiert SPÖ-Bürgermeister Matthias Stadler die Landeshauptstadt St. Pölten mit absoluter Mehrheit. Ein KURIER-Gespräch.

Seit mehr als zwei Jahrzehnten steht Matthias Stadler unangefochten an der Spitze der SPÖ in der Landeshauptstadt. Dort will er auch nach der kommenden Gemeinderatswahl bleiben. Zeit für ein ausführliches Gespräch.

KURIER: Herr Bürgermeister, vor ein paar Tagen ist Elch Emil durch St. Pölten spaziert. Eine Satireseite schrieb: „Erster Tourist besucht St. Pölten“. Können Sie über Anti-St.-Pölten-Witze noch lachen?

Matthias Stadler: Ich hatte da einen anderen Zugang. Ich habe gesagt: Das war ein Schwede, der seine sozialdemokratischen Vorfahren in St. Pölten besucht hat. Aber alle, die über unsere Stadt Witze machen, sind herzlich eingeladen, sie zu besuchen. Dann sehen sie, wie schön und grün es hier ist.

Sie sind seit 2004 Bürgermeister und haben immer wieder betont, das Image der Stadt verbessern zu wollen. Sind Sie 21 Jahre später am Ziel angekommen?Man kann nie genug bekommen. Wenn St. Pölten weltweit einen guten Ruf hat, kann man vielleicht ruhen. Klar ist: Wir werden mittlerweile ganz anders wahrgenommen – von den Besuchern, die von außerhalb kommen, aber auch von Bund, Land und sogar der Europäischen Union. Wir haben eine gigantische Transformation hinter uns – weg von der Industriestadt. Die Wohn- und Lebensqualität hat deutlich zugenommen. Außerdem: Welche Stadt kann schon behaupten, dass sie einen Südsee bekommt?

Im März hat der KURIER getitelt: Wächst St. Pölten zu schnell? Grund dafür waren Zahlen, die zeigten, dass St. Pölten die am stärksten wachsende Stadt in Österreich ist. Ihr Vize Harald Ludwig rief daraufhin bei uns an und beschwerte sich, dass man dadurch nur die Bevölkerung verunsichere. Ist Ihnen das Wachstum gar unheimlich?

Mir ist gar nichts unheimlich. Wir haben ein gewisses Wachstum, vor zwei Jahren war es ein Prozent, jetzt zwei. Das ist verkraftbar und machbar. Wir haben jetzt mehr als 60.000 Einwohner, mehr als 6.000 davon sind Zweitwohnsitzer. Aber die Herausforderungen sind bewältigbar. Wir haben eine Wasserversorgung, die auf 80.000 Einwohner ausgelegt ist. Außerdem haben wir genug Kindergartengruppen und Tagesbetreuungseinrichtungen, um alle unter Zweijährigen unterzubringen.

Noch einmal zu Harald Ludwig: Ihr Vizebürgermeister hat sich im Sommer aus der Politik zurückgezogen. Sie gaben sich überrascht, manche in der Partei meinen aber, dass es zwischen Ihnen zu einem Zerwürfnis gekommen sei. Was stimmt nun?

Ich habe seinen Schritt bedauert. Er hatte sich ja schon einmal aus der Politik zurückgezogen, damals habe ich ihn wieder zurückgeholt und zum Vizebürgermeister gemacht. Zwischen uns passt kein Blatt Papier – auch jetzt nicht. Aber für uns hat sich dadurch die Möglichkeit eröffnet, neue Akzente zu setzen – zum Beispiel mit dem 34-jährigen Michael Kögl, dem jüngsten Vizebürgermeister aller Zeiten in St. Pölten.

Die Stadt hat heuer ein Sparpaket schnüren müssen. Etwas mehr als 21 Millionen Euro sollen in den kommenden zwei Jahren eingespart werden. In Wien hat Bürgermeister Michael Ludwig vor der Wahl versprochen, dass die Öffi-Tickets nicht teurer werden – sie wurden es aber. Kommt für die St. Pöltner nach der Gemeinderatswahl auch das böse Erwachen?

Wir haben nicht erst heuer zu sparen begonnen, denn wir hatten schon für das Jahr 2024 einen Rechnungsabschluss mit einem Überschuss. Ich kann aber beim besten Willen nicht prognostizieren, was in den kommenden Jahren passieren wird. Ich kann nur hoffen, dass es der Bundesregierung gelingt, Österreich wieder in wirtschaftlich besseres Fahrwasser zu bringen. Denn uns hat genau das gefehlt, was bei den Bundesertragsanteilen ausgeblieben ist. Aber wenn nicht etwas Unvorhersehbares passiert, kommen wir mit diesem Paket durch.

Sie regieren seit 2004 durchgehend mit einer absoluten Mehrheit. Blickt man sich in der politischen Landschaft um, dann sieht man, dass absolute Mehrheiten aussterben. Wird die St. Pöltner SPÖ bei der kommenden Gemeinderatswahl die Absolute halten können?

Ich bin dankbar, dass die St. Pöltner mir das ermöglicht haben. Es zeigt auch, dass der Weg, den die Sozialdemokratie beschritten hat, anerkannt wird.

Sollte die Absolute fallen, brauchen Sie einen Partner. Es scheint, als hätten Sie mit den Freiheitlichen keine Berührungsängste. Nach der letzten Wahl machten Sie etwa FPÖ-Gemeinderat Martin Antauer zum Chef des Kontrollausschusses. Ist Rot-Blau in St. Pölten denkbar?

Darüber mache ich mir Gedanken, wenn ich in diese Situation kommen sollte. Ich habe damals mit allen Parteien verhandelt, und die Freiheitlichen hatten mit Abstand das beste Angebot gemacht.

Die SPÖ war auf Bundesebene in Sachen Kopftuchverbot eher zögerlich, jetzt setzt man es um. Sind Sie auch dafür, dass es kommt?

Wir haben über 100 Nationen in der Stadt, da sieht man schon die Vielfalt. Natürlich schafft das im Zusammenleben klarerweise Herausforderungen. Ich kann mich an einen gewissen Sebastian Kurz als Integrationsminister erinnern, der uns Geld und Problemlösungen versprochen hat – und auch bei seinen Nachfolgern ist da viel zu wenig weitergegangen. Es fehlt einfach der große Plan dahinter.

Und wie halten Sie es jetzt mit dem Kopftuchverbot?

Das ist ein kontroversielles Thema. Manche sehen darin die Religionsfreiheit gefährdet, andere eine Diskriminierung. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass wir im Bereich der Integration viel wichtigere Themen haben.

Es hat in den vergangenen Jahren vor allem zwei Projekte gegeben, die für großen Widerstand gesorgt haben: Gegen das Rewe-Zentrallager und die S34 wurden Tausende Unterschriften gesammelt. Wie ist da der aktuelle Stand der Dinge?

Ja, diese Themen wurden sehr emotionalisiert. Aber für die Stadt geht es um sehr entscheidende Projekte. Beim geplanten Rewe-Zentrallager wird immer wieder gesagt, es befinde sich im Überschwemmungsbereich. Beim Hochwasser 2024 haben wir gesehen, dass viele Bereiche überschwemmt werden können – prominentestes Beispiel ist das Regierungsviertel, das in einer wasserdichten Wanne steht. Den meisten ist auch nicht bewusst, dass St. Pölten bereits Rewe-Standort ist. Es geht also um neue und auch um bestehende Arbeitsplätze. Kommunalsteuer und Arbeitsplätze bedeuten für eine Stadt Unabhängigkeit. Mir ist zudem nicht bekannt, dass dieses Projekt nicht den österreichischen Gesetzen entsprechen würde. Ja, es braucht dort einen Hochwasserschutz, den wird aber das Unternehmen zahlen. Dort könnte auch eine andere Firma bauen, denn es gibt eine Industrie-Widmung. In der Nähe siedeln sich übrigens andere Unternehmen ebenfalls an, einige sind schon dort.

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