Semmering: Der Tunnel steht wieder vor Gericht
Der Semmering-Basistunnel ist?
a) Ein schwarzes Loch, das Milliarden Euro, Massen kostbarsten Wassers und nebenbei noch eine einzigartige Kulturlandschaft schluckt.
b) Ein zukunftsweisendes Projekt, das Tausende Arbeitsplätze schafft, Lkw von der Straße holt (175.000 pro Jahr) und Wien und Graz zusammenrückt.
Der Standort bestimmt den Standpunkt. Abseits des Meinungskriegs zwischen Befürwortern und Gegnern geht indes das juristische Ringen um die zwei 28-Kilometer-Röhren durchs Massiv weiter. Und erreicht heute, Montag, am Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in Wien einen weiteren Höhepunkt.
Bei der ÖBB-Infrastruktur zeigt man sich im Vorfeld "zuversichtlich, dass das BVwG den Weiterbau bestätigen wird", erklärt Sprecher Christopher Seif.
In trockenen Tüchern wäre der Tunnelbau aber auch mit einer positiven Entscheidung – zehn Jahre, nachdem der Nationalrat das Projekt beschlossen hat – nicht: Noch bevor das Verfahren begonnen hat, wird aufseiten der Tunnelgegner nämlich Kritik laut – die Revision an die nächste Instanz, also zum Verwaltungsgerichtshof, dürfte nur Formsache sein. Ihre Argumente:
BefangenheitSo sieht die Bürgerinitiative "Stopp dem Bahn-Tunnelwahn" neben einem Gutachter auch Richter Werner Andrä befangen. Er war im Jahr 2012 beim Amt der NÖ Landesregierung beschäftigt gewesen. Und zwar in der Gruppe Raumordnung, Umwelt und Verkehr. Diese hat auch Bescheide zum Semmering-Basistunnel erlassen. Allerdings soll Andrä daran nicht beteiligt gewesen sein.
Unzuständigkeit Die Naturschutzorganisation "Alliance for Nature" stellt außerdem die Zuständigkeit des Gerichts für die naturschutzrechtlichen Bescheide infrage, die mitverhandelt werden sollen. Der Unzuständigkeitsantrag wird aber wenig Chancen haben. "In einer ähnlichen Frage beim Verfahren zur A5 Nordautobahn wurde die Zuständigkeit rechtskräftig bejaht", erklärt eine Gerichtssprecherin.
Sachverständige Außerdem will "Alliance for Nature" neben drei vom Gericht geladenen Sachverständigen Experten für sieben weitere Bereiche laden – vom Eisenbahnwesen bis zur Gewässerökologie. "Die Anträge werden im Verfahren erörtert", sagt die Sprecherin.
Den Bau selbst hat das Verfahren laut ÖBB-Infrastruktur nicht verzögert. Die Vorarbeiten seien abgeschlossen. Wenn das Gericht den Hauptbescheid des BMVIT bestätigt, wird im Frühjahr mit dem Tunnelbaulos von Gloggnitz aus begonnen.
Die Meinungen gehen auseinander. Weit auseinander. 8737,39 Hektar umfasst das Welterbe Semmering für Christian Schuböck von "Alliance for Nature". "So wurde es bei der UNESCO eingereicht und aufgenommen. Erst im Nachhinein wurde es auf eine Kernzone und eine Pufferzone aufgeteilt", sagt Schuhböck.Lediglich 156,18 Hektar Kernzone um die historische Ghega-Bahn (siehe Grafik) sind es laut Managementplan des Vereins "Freunde der Semmeringbahn", des Kulturministeriums – und auch der Homepage der UNESCO Österreich. Der Rest sind als Nahbereich, historische Siedlungs- und Tourismuslandschaft und ergänzende Siedlungs- und Tourismuslandschaft ausgewiesen.
Die Naturschutzorganisation will die Frage jetzt auch vor dem Bundesverwaltungsgericht aufbringen – und klären lassen. "Im UVP-Bescheid wurden nur die Auswirkungen auf die Kernzone untersucht", erklärt Schuhböck.
Außerdem , so heißt es im Vorbringen von Alliance-Anwalt Andreas Manak, bestehe "die akute Gefahr einer Einstellung der Semmeringbahn". In der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage heißt es von Verkehrsminister Alois Stöger dazu: "Die bestehende Bahnstrecke (...) und der Semmering-Basistunnel sind als Funktionseinheit konzipiert."
Erste Planungen für einen Tunnel durch den Semmering gehen bis in die 80er-Jahre zurück. 1994 wurde auf steirischer Seite auch mit dem Bau eines Sondierstollens begonnen. Das Projekt mit einer anderen Trassenführung als jetzt geplant wurde nach anhaltenden technischen und juristischen Problemen 2005 beendet. Seither laufen die Vorbereitungen für den "Semmering Basistunnel neu". 2008 wurde die neue Trasse festgelegt, 2012 erfolgte der Spatenstich. Im Februar 2014 mussten die Arbeiten gestoppt werden – der Verwaltungsgerichtshof hatte den UVP-Bescheid aufgehoben. Im Juni wurde ein neuer Bescheid erlassen.
Kommentare