Schwerverbrecher im Bastelfieber
Dieser Ort hat keinen liebevollen Namen. „Fösn“ (Felsen, Anm.) nennen die Insassen der Justizanstalt Stein in Niederösterreich ihr Zwangsquartier. Hier sind Menschen eingesperrt, die mindestens 18 Monate hinter Gitter verbringen müssen. Die meisten bleiben aber viel länger in Haft, im Durchschnitt acht bis neun Jahre. Manche von ihnen kommen nie wieder frei – Gefängnis bis zum Tod.
802 Männer verbüßen in Stein derzeit ihre Haftstrafe. Darunter auch prominente Häftlinge, wie Josef Fritzl oder ein Top-Terrorist der Gruppe Abu Nidal. Mit dieser Anzahl hat man auch die Kapazitätsgrenze erreicht, oder wie es Oberstleutnant Roland Wanek formuliert: „Wir sind bummvoll.“
Wer im „Fösn“ leben muss, der hat freilich auch viel Zeit zum Nachdenken. Wie komme ich hier raus? Wie komme ich an Drogen oder Mobiltelefone? Der Kreativität der Häftlinge sind dabei keine Grenzen gesetzt. Zumindest beweist das ein Besuch der Asservatenkammer, den der KURIER machen durfte.
Es sind einige schwere Türen, die geöffnet werden müssen, bis man die Kammer betreten kann. Schnell taucht man in einen Mikrokosmos ein, den das zweitgrößte Gefängnis Österreichs für die Insassen darstellt. Und eines steht schnell fest: Es gibt Gefangene, die technische Genies sein müssen. Selbst gebaute Fernseher oder Ventilatoren, die im Sommer für Abkühlung sorgen sollten. In mühevoller Kleinarbeit wurden Drähte und Widerstände so zusammengefügt, dass daraus elektronische Geräte entstanden sind. Oft dauerte die Bastelei Jahre. Die künstlerischen Highlights: Eine Moschee, die nur aus Zahnstochern zusammengeklebt wurde. Und ein Gefangener versuchte sich sogar am Wiener Riesenrad. Das Ergebnis brachte sogar die Wärter zum Staunen.
Geschmuggelt
Freilich: Die meisten dieser Exponate mussten den Häftlingen abgenommen werden, weil sie im Häfenalltag illegal sind. Selbstproduzierte Schnapskesseln zum Herstellen von Hochprozentigem oder auch Bierflaschen, die zu Wasserpfeifen umgebaut wurden.
Wenn es darum geht, Drogen oder Mobiltelefone in die Zellen zu schmuggeln, zeigen sich die Herren ebenfalls sehr einfallsreich. Ausgehöhlte Bücher sind in der Vergangenheit verwendet worden. Oder präparierte Lebensmitteldosen, die ins Lager geschmuggelt werden. „Das Schwierige daran ist aber, dass der Häftling dann auch die Richtige findet“, schmunzelt Wanek.
Gefährlich wird es, wenn es um selbst gebastelte Waffen geht. Messer und Eisenstangen können in einer der 30 Werkstätten so präpariert werden, dass ihr Einsatz für den Kontrahenten tödlich endet. „Zu solchen Fällen kommt es aber äußerst selten“, berichtet der Oberstleutnant.
Jene Insassen, die sich ruhig und angepasst verhalten, bekommen Vergünstigungen. Sie dürfen zum Beispiel in ihrem Raum einen Computer benutzen – freilich ohne Internetanschluss. Allerdings können sie Kinderpornos abspielen, wenn sie an einen USB-Stick mit Videodateien gelangen. „Die sind mittlerweile so klein, dass man sie leicht verstecken kann. Natürlich auch im Körper“, erzählt der Justizwachebeamte.
Die PCs werden von den Wärtern mehrmals wöchentlich unter die Lupe genommen. Finden sie etwas, ist der Computer weg. Für immer. Wanek: „So etwas riskieren die wenigsten.“
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