Ehemaliger Direktor: „Ich bin kein Freund von Hausübungen“

Hollabrunnerinnen und Hollabrunner kennen Leopold Mayer noch als Direktor der HLW – er hat die Schule 22 Jahre lang mit Herzblut und Erfolg geleitet. 40 Jahre arbeitete er als Pädagoge und war dabei in der Lehrerausbildung aktiv – immer wieder erzählte er dort Geschichten aus der Praxis. Aus seinen Erfahrungen ist ein Buch entstanden, in dem Mayer 26 Thesen für eine bessere Schule formuliert.
KURIER: Sie sind seit fünf Jahren in Pension. Was hat Sie bewogen, jetzt ein Buch zu veröffentlichen?
Leopold Mayer: Ich finde es schlimm, dass Schule derzeit fast nur negativ dargestellt wird. Mein Buch fasst 40 Jahre Schulerfahrung zusammen – anhand erlebter Geschichten zeige ich, wie Schule funktionieren kann und Freude bereitet. Mir ist klar: Es gibt nicht die eine Antwort. Was in einer Klasse klappt, muss in einer anderen nicht funktionieren. Man muss sich ständig hinterfragen und versuchen, sich zu verbessern.
Welche Lektionen haben Sie als Lehrer gelernt?
Zum Beispiel, dass man Sachverhalte so erklären muss, dass beim Schüler eine Grundstruktur hängen bleibt. Deshalb sind in den Unterrichtsstunden Übungsphasen so wichtig. Oft genügt ein kleiner Tipp – und der Knoten löst sich. Darum war ich auch nie ein Freund von Hausübungen.
Wie bewerten Sie die Arbeit des Bildungsministeriums?
Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß, sondern viel Grau. Mit jenen, die direkt mit Schulen gearbeitet haben, war die Zusammenarbeit immer sehr gut.
Und mit welchen weniger?
Bei jenen, die etwa die jüngste Verwaltungsreform zu verantworten haben. Früher waren die Landesschulräte mit ihren Inspektoren kompetente Dienstleister. Heute betreut ein „Schulqualitätsmanager“ (SQM) mitunter 50 Schulen verschiedenster Typen – da geht fachliche Kompetenz verloren. Auch die von oben verordnete Kommunikationsstruktur, dass jede Kommunikation mit der Dienstbehörde über die SQM zu laufen hat, scheint kompliziert zu sein und erinnert an „stille Post“.
War diese Reform also nicht durchdacht?
Ja, und nicht nur diese. So ist zum Beispiel die Zentralmatura eine gute Idee, sie einzuführen, doch mit der Abschaffung der externen Vorsitze geht eine wichtige Kontrolle verloren.
In Ihrem Buch formulieren Sie 26 Thesen zur Verbesserung des Bildungssystems. Einer davon ist ein Bildungskonsens.
Das wäre ein Wunschtraum: Alle Parteien setzen sich an einen Tisch, entwickeln ein Konzept von Kindergarten bis Matura und ziehen es 20 Jahre lang durch – unabhängig davon, wer Bildungsminister ist.
Sie fordern auch ein Sekretariat für Pflichtschulen.
Genau. Ein klassisches Sekretariat wäre für jede Schule unbedingt notwendig. Noch wichtiger wäre es jedoch, die Schulgesetze und Verordnungen auszumisten, denn es muss nicht alles geregelt werden, und endlich so zu formulieren, dass sie für jedermann verständlich sind.
Jetzt soll es mehr Sozialarbeiter und Psychologen an Schulen geben. Eine gute Idee?
Unbedingt. Ideal wäre eine Art schnelle Eingreifgruppe in jedem Bezirk, die sofort verfügbar ist, wenn Gefahr in Verzug ist – etwa wenn ein Kind Suizidgedanken äußert. Niemand würde die Feuerwehr rufen und zwei Wochen auf einen Termin warten.
Was wäre eine vergleichsweise günstige Möglichkeit, Schulen zu stärken?
Die Schule sollte sich stärker öffnen und mit Sportvereinen, Musikschulen oder Unternehmen vernetzen – denn externe Experten machen den Unterricht spannender. Ein Sparkassendirektor oder ein OMV-Manager, die Wirtschaft erklären, sind für Schüler oft glaubwürdiger als der Lehrer allein. Aber bei Quereinsteigern ohne pädagogische Ausbildung bin ich skeptisch. Auch die Schnittstellen zwischen den Schultypen gehören verbessert.
Leopold Mayer: G’schichtenbuch der Schule. 112 Seiten, Vindobona-Verlag, 26,90 Euro
Immer mehr Jugendliche machen die Matura. Eine gute Entwicklung?
Ich sehe das kritisch. Erstens fehlen uns die Handwerker. Zweitens wären viele Jugendliche in einer praktischen Ausbildung besser aufgehoben. Drittens sollten dreijährige Schulen wieder aufgewertet werden und deren Zugang zur Lehre vereinfacht werden. Statt „Lehre mit Matura“ plädiere ich für „Matura mit Lehre“ – mit klarem Schwerpunkt auf die Lehre.
Ein letzter Punkt: Sie wollen das Notensystem ändern?
Ja. Es sollte nur drei Noten geben: ausgezeichnet, bestanden und nicht bestanden. In der Schule geht so viel Zeit und Energie für Wunschprüfungen verloren, nur weil jemand statt eines Dreiers unbedingt einen Zweier will. Außerdem wäre die Grenzziehung zwischen diesen drei Beurteilungsstufen wesentlich einfacher als im fünfstufigen Notensystem.
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