3,6 Prozent aller Babys, die in Österreich jährlich zur Welt kommen, werden nicht auf natürlichem Weg, sondern in einem Reagenzglas gezeugt. „Man kann sagen, dass 2023 in jeder Schulklasse ein Kind sitzt, das durch künstliche Befruchtung entstanden ist“, macht Reproduktionsmediziner Rudolf Rathmanner, Begründer der Kinderwunschklinik „Tiny Feet“, bewusst.
Langer Weg zum kleinen Glück
Bis zur Geburt des eigenen Babys ist es für Eltern mit unerfülltem Kinderwunsch oft aber ein weiter und zermürbender Weg. Und statistisch gesehen müssen ihn immer mehr Paare auch gehen:
Im Jahr 2021 wurden österreichweit 12.200 IVF-Versuche (also Eizellen künstlich befruchtet) durchgeführt, rund 20 Prozent mehr als noch vor fünf Jahren, wie das Register zeigt.
Bei der IVF-Methode wird eine Eizelle entnommen, in einem Reagenzglas mit dem Samen des Partners befruchtet und der Patientin wieder eingesetzt
3.100 Babys werden jährlich durch künstliche Befruchtungen in Österreich geboren
2008 gründete Mediziner Rudolf Rathmanner seine erste "Tiny Feet" Kinderwunschklinik in Wiener Neustadt. Die zweite Klinik wurde nun in St. Pölten eröffnet. Weitere Standorte gibt es in Horn und Mödling
Die steigende Nachfrage sei einerseits auf die Enttabuisierung des Themas zurückzuführen, wie Rathmanner erklärt. Andererseits häufen sich in der heutigen modernen Gesellschaft auch die Gründe, warum eine Schwangerschaft nicht auf natürlichem Weg klappt.
Fruchtbarkeit nimmt ab
Frauen hegen immer häufiger erst spät ihren ersten Kinderwunsch. „Doch ab 35 Jahren sinkt die Fertilität der Frau deutlich“, erklärt der Kinderwunschexperte .
Bei Männern ist aber nicht nur das Alter eine Gefahr für ihre Fruchtbarkeit: „Zwischen 1973 und 2018 hat sich die Samendichte der Männer um die Hälfte reduziert“, schildert Rathmanner. Die Gründe für diesen drastischen Rückgang geben den Medizinern aktuell noch Rätsel auf.
Erkennt man als Paar derartige Risikofaktoren erst, wenn schon ein aktiver Kinderwunsch besteht, drängt oft die Zeit. Deshalb empfehlen die Reproduktionsexperten, die Fruchtbarkeit beider Partner bereits in jungen Jahren mit einem sogenannten „Fertility Check“ überprüfen zu lassen.
500 Patienten
Möglich ist das etwa in der neuen „Tiny Feet“-Kinderwunschklinik in der Landeshauptstadt. Schon seit 2016 betrieb die Organisation einen Standort im Uniklinikum in St. Pölten, mit der neuen Klinik werden nun aber auch Eingriffe und Laborarbeit vor Ort möglich, wie Geschäftsführer Otto Kager erklärt. In Zukunft möchten die zwölf Reproduktionsmediziner vor Ort 500 Patienten jährlich betreuen.
Der Standort in St. Pölten sei aber nicht nur für Paare aus Niederösterreich attraktiv: „Aufgrund der politischen Situation in ihrer Heimat besuchen uns auch viele lesbische Paare aus Ungarn“, weiß der St. Pöltner Standortleiter Primar András Jaksics. In Österreich können lesbische Paare per künstlicher Befruchtung seit 2015 Mütter werden, Single-Frauen ist das bis dato verwehrt.
Staat übernimmt Großteil der Kosten
Grundsätzlich wird ein Besuch in der Kinderwunschklinik empfohlen, wenn es nach sechs Monaten noch zu keiner Schwangerschaft auf natürlichem Weg gekommen ist oder die Frau über 35 Jahre alt ist. Eine Behandlung ist oft günstiger als gedacht: Bis zu 70 Prozent der Kosten übernimmt der Staat.
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