Rattengift-Prozess in St. Pölten: Geschworene orten keinen Mordversuch

Rattengift-Prozess in St. Pölten: Geschworene orten keinen Mordversuch
53-Jähriger war vorgeworfen worden, seinem Vater Gift in Lebensmittel beigemischt haben. Nicht rechtskräftig verurteilt wurde der Landwirt wegen Körperverletzung und Nötigung.

Am Landesgericht St. Pölten ist am Freitag der Prozess um eine Intoxikation mit Rattengift ins Finale gegangen. Bevor sich die Geschworenen am Nachmittag zu den Beratungen zurückzogen, waren Familienmitglieder des 53-jährigen Beschuldigten befragt worden. Angelastet wird dem Landwirt, seinem Vater die Substanz in Lebensmittel gemischt zu haben. Der Niederösterreicher hatte sich am ersten Verhandlungstag am Mittwoch zum Vorwurf des versuchten Mordes nicht schuldig bekannt.

Die 48-jährige Ehefrau des Angeklagten sagte aus, dass ihr Schwiegervater sie nicht akzeptiert habe und "ein sehr bestimmender Mensch" sei. Dennoch sei man "miteinander ausgekommen". Vor allem in Bezug auf die Landwirtschaft habe es Spannungen - sozusagen einen Generationenkonflikt - gegeben. Allgemein habe der Altbauer in der Umgebung keinen guten Ruf genossen. Die 18-jährige Tochter des Beschuldigten gab an, im möglichen Zeitraum der Vergiftungshandlungen keinerlei Heimlichtuereien des Vaters bemerkt zu haben.

"Reines Hick-Hack"

Von einem in den vergangenen Jahren massiv verschlechterten Verhältnis zwischen Vater und Sohn sprach der Bruder des Beschuldigten. Die Brutalität sowie Drohungen des Landwirts gegenüber dem Altbauern hätten immer mehr zugenommen, es seien "ein reines Hick-Hack" sowie regelrechter Hass entstanden. Dass der Vater sonstige Feinde habe, schloss er aus. Auch ein befragter Polizist ortete dahingehend keine Hinweise.

In den Zeugenstand getreten sind außerdem zahlreiche weitere Personen aus dem Umfeld des Landwirts. Eine Nachbarin des Vaters berichtete von diversen Schreiorgien des Altbauern in Richtung des Angeklagten. Dieser habe dem 82-Jährigen nichts recht machen können, ergänzte ein weiterer Zeuge.

"Tendenz zur Selbstausbeutung"

Der psychiatrische Sachverständige Werner Brosch beschrieb den Beschuldigten als von der familiären Situation und von der Arbeit am Hof "schon sehr belastet". Es gebe zudem eine "Tendenz zur Selbstausbeutung". Im Rahmen des Untersuchungsgesprächs habe sich der 53-Jährige hinsichtlich der Beziehung zum Vater "erstaunlich neutral" gezeigt. Persönlichkeitsstörung liege keine vor, allerdings sei der Angeklagte ein "Konflikttrinker", der als solcher Alkohol zunehmend als Medikament einsetze.

Am 23. August des Vorjahrs soll der damals 81 Jahre alte Vater des Beschuldigten im Wohnbereich eines Bauernhofs im Raum St. Pölten gestürzt sein. Der Senior alarmierte später selbst die Rettung, im Universitätsklinikum St. Pölten brachte eine Blutuntersuchung eine Vergiftung zum Vorschein. Vollständig von dem Vorfall erholt hat sich der Altbauer nicht.

Entdeckt worden war im Blut des Opfers der Wirkstoff Brodifacoum. Ein Rattengift, das die Substanz beinhaltete, wurde am Hof des 53-Jährigen sichergestellt. "Einen anderen Täter gibt es bei Weitem nicht", sagte die Staatsanwältin in ihrem Schlussvortrag. Der Beschuldigte habe diverse Konflikte mit dem Vater und auch die Möglichkeit gehabt, das Gift beizumischen. "Motive gibt es wohl genug", betonte die Vertreterin der Anklagebehörde. Für einen Suizidversuch des Seniors gebe es zudem keine Anhaltspunkte.

Übergabevertrag

Als einer der Hintergründe in Sachen Motivlage gilt ein 2002 verfasster Übergabevertrag für die Landwirtschaft des Vaters des Beschuldigten. Der Angeklagte ist nunmehr der Eigentümer, lebt selbst jedoch seit Ende der 1990er-Jahre am landwirtschaftlichen Anwesen seiner Ehefrau. Aufkommen muss er für Kost und Logis des Seniors. Für Verteidiger Michael Sedlacek ist dieser Kontrakt "nichts Ungewöhnliches zur Absicherung der Altbauern". Der Übergabevertrag "war nie ein Thema", finanzielle Probleme habe es bei seinem Mandanten nicht gegeben, betonte der Jurist im Rahmen seines Schlussplädoyers.

Der 53-Jährige selbst sagte in seinem abschließenden Statement, dass es ihm für seinen Vater leidtue, "dass er im Spital war". Er selbst habe "mit dieser Sache nichts zu tun".

Bedingte Haft

Die Geschworenen verneinten die Hauptfrage nach versuchtem Mord mit 5:3 Stimmen. Nicht rechtskräftig zu vier Monaten bedingter Haft verurteilt wurde der Landwirt wegen Körperverletzung und Nötigung, weil er den Altbauern mehrmals geschlagen und bedroht haben soll. Bei der Bemessung der Strafhöhe wirkte sich laut dem vorsitzenden Richter der bisher ordentliche Lebenswandel des Beschuldigten mildernd aus. Als erschwerend seien das Zusammentreffen dreier Vergehen sowie die Tatbegehung zum Nachteil eines Angehörigen gewertet worden.

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