"Nur Begleitpersonen": NÖ Kliniken kündigen Wahlhebammen Verträge

Zwei Verträge mussten bisher abgeschlossen werden, bevor Wahlhebammen eine Geburt in einem Krankenhaus der nö. Landesgesundheitsagentur (LGA) begleiten konnten. Einer zwischen Mutter und Hebamme, einer zwischen Krankenhaus und Hebamme.
Mit 31. März soll nun Letzterer durch einen Vertrag zwischen Mutter und Krankenhaus ersetzt werden.
"Keine medizinische Verantwortung"
Was nach einer kleinen bürokratischen Änderung klingt, ist für Lisa Sanchez, freiberufliche Hebamme aus Herzogenburg (Bezirk St. Pölten), aber eine Hiobsbotschaft: „Wir haben damit de facto keine medizinische Verantwortung mehr im Kreißsaal.“
Denn rechtlich rutschen die privaten Hebammen durch diese neue Regelung auf die Stufe von Begleitpersonen, wie etwa dem werdenden Vater, ab. „Ich kann jetzt also nur mehr dabei sein und der Frau die Hand halten“, schlussfolgert Sanchez kopfschüttelnd.

Lisa Sanchez ist freiberufliche Hebamme.
Genauso wenig verstehen diese Änderung über 11.000 weitere Personen (Stand Mittwoch 16 Uhr), die sich binnen weniger als 24 Stunden in einer Onlinepetition solidarisiert haben.
„Fehlinterpretation“
Aufgrund der Kritik ruderte die LGA am Mittwoch zurück und spricht in einer Stellungnahme von einer „Fehlinterpretation“: „Die Betreuung durch Begleithebammen ist bei einer Entbindung auch weiterhin in allen nö. Kliniken mit Geburtenstation möglich und erwünscht.“
Private Hebammen sollen demnach trotzdem „vollumfänglich“ dieser Tätigkeit nachgehen – allerdings „unter Leitung der diensthabenden Hebamme oder des Arztes“, heißt es.
Auslöser für die Änderung ist ein Auftrag des Rechnungshofs aus dem Jahr 2021. Nun habe man „klare Verantwortlichkeiten und Entscheidungsbefugnisse“ definiert, heißt es von der LGA.
Die Verunsicherung unter Schwangeren, die etwa im April ihre Geburt mit privater Begleitung geplant haben, sei laut Sanchez dennoch groß „Wir betreuen oft Frauen nach traumatischen Erfahrungen, wie einer Totgeburt oder sexueller Gewalt“, erklärt Sanchez. „Besonders diese Frauen brauchen bei der Geburt eine ihnen vertraute Hebamme und die Sicherheit, dass diese während des gesamten Prozesses an ihrer Seite ist.“
Betreuung nicht dem Zufall überlassen
„Ich möchte mir das gar nicht ausmalen“, pflichtet auch Julia Schindelars bei, die vor knapp einem Jahr in Begleitung von Sanchez ihre Tochter zur Welt gebracht hat. „Die Angst und Unsicherheit, die durch diese Änderung ausgelöst werden, gibt man natürlich auch seinem Kind weiter.“
Für sie sei die Betreuung durch ihre persönliche Hebamme nach einer „stillen Geburt“ (Totgeburt) unumgänglich gewesen. „Meine Hebamme kannte meine Vorgeschichte, meine Trigger, meine Werte und Vorstellungen, wie eine gesunde Geburt für mich aussieht“, erklärt Schindelars. „Ich überlasse es keinem Zufall, wer mich in diesem sensiblen Prozess unterstützt.“
Alle Beteiligten sind sich einig, dass sich durch Wahlhebammen auch für das Klinikpersonal Vorteile ergeben, das damit entlastet wird.
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