Rinden: Wo die vergessene Medizin gehütet wird

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Die Waldviertler Kräuterpädagogin Eunike Grahofer weiß, wie man Baum- und Strauchrinde nutzen kann.

Dass Kräuter heilende Wirkungen entfalten können, ist den meisten bekannt. Dass aber auch Rinden von Bäumen und Sträuchern solche Eigenschaften haben, wissen heute nur noch die wenigsten – dabei waren sie einst ein wichtiger Bestandteil der Volksmedizin.

Altes Wissen

Früher wusste man: "Rosenrinde für die Braut gibt ihr eine schöne Haut“, schmunzelt Kräuterpädagogin Eunike Grahofer aus Waidhofen an der Thaya. "Aber nur ungespritzte Rosen. Man kocht den Rückschnitt auf dem Herd auf und gibt das Wasser dann ins Badewasser dazu“, lüftet sie ein Schönheitsgeheimnis. Aber auch bei Neurodermitis und Schuppenflechte kennt sie ein Rezept: "Von den jungen Birkentrieben nimmt man etwas Rinde und kocht sie ebenfalls im Wasser auf, dann 15 bis 20 Minuten ziehen lassen. So erhält man einen Auszug“, erklärt die 49-Jährige.

Zur Behandlung gibt man diesen zweimal wöchentlich ins Badewasser oder wäscht die betroffenen Stellen täglich damit. "Die Birkenrinde schützt die Haut vor dem Austrocknen.“ Ein weiteres Mittel bei Hauterkrankungen ist die Eichenrinde. Damit könne Eichenrindentee gekocht werden, der mit Tüchern aufgebracht wird. Das werde oft bei Kindern gemacht, so Grahofer. Das Wissen rund um die Wirkkraft der Haut der Eiche habe sich bis heute gehalten, man bekomme sie auch über die Apotheke.

In ihrer Heimat, dem Waldviertel, sei die Rindenmedizin aber nie so stark verbreitet gewesen, wie etwa in der Gebirgsregion oder dem Mariazeller Land. "Dort gab es praktisch in jeder Familie Holzfäller“, erklärt sie. Ihre Großeltern stammten von dort: die Oma war Landhebamme, der Opa Holzfäller. "Unsere Vorfahren haben verwendet, was ihnen zur Verfügung stand.“ Viele ihrer Rezepte hat Grahofer von ihrer Großmutter und den Menschen aus der Gegend.

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Eunike Grahofer, Kräuterpädagogin

Rinden wurden auch bei Verletzungen häufig verwendet: "Alle Rinden enthalten Gerbstoffe, sie wirken blutstillend. Wenn man sich im Garten schneidet, kann es helfen, ein Stück Rinde aufzulegen“, so Grahofer. Bei Wunden seien häufig Tanne und Fichte verwendet worden. "Das liegt am Harz, es ist antiseptisch und entzündungshemmend.“

Apfel fürs Herz

Bei Brüchen haben sogenannte "Knochenrichter“ einst "Gipsverbände“ und Schienen aus Rinden gemacht. Dafür wurden meist große Stücke von Stammrinden der Fichten oder Tannen verwendet. Grahofer gibt Einblicke: "Gab es auch eine Wunde, wurde diese zunächst versorgt, dann ein Tuch aufgelegt. Die Stammteile wurden in Wasser aufgeweicht, damit sie biegsam wurden, und dann um die betroffene Stelle gelegt, darüber kam wieder ein Tuch.“

Aus zahlreichen Rinden kann man auch Tee brauen: Apfelbaumrindentee wird die Stärkung von Lunge und Herzmuskel zugeschrieben. Holunderrindentee (von unten nach oben geschält) kann gegen Verstopfung getrunken werden, wie man dem Buch "Rindenmedizin – die Apotheke der Knochenrichter, Holzknechte und Hebammen“ von Eunike Grahofer entnehmen kann.

Rinden am Speiseplan

Doch Rinden fanden nicht nur Eingang in die Hausapotheke, auch in die Küche. Wenn man etwa ein kleines Stück Birkenrinde in Soße oder Suppe mitkocht, erhält man eine Pfeffernote. Außerdem kann man Rinde zu Mehl vermahlen. "Föhren-Brot lindert Hungersnot“, zitiert die Waldviertlerin eine alte Volksweisheit. Solch ein Brot wurde wegen der langen Haltbarkeit und des Sättigungsgrades geschätzt. Heute würde man Superfood dazu sagen.

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