Projekt steht auf der Kippe: Waldkindergarten sucht Wald

Aus Gatsch einen Kuchen bauen oder mit Stöcken und Bockerln der Fantasie freien Lauf lassen – einfach jeden Tag im Freien verbringen. Waldkindergärten liegen im Trend. Doch obwohl die Nachfrage so groß ist, gibt es nur wenige solcher Tagesbetreuungseinrichtungen. Denn die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Betrieb der Kindergruppen sind schwierig. Sie sind stets auf Unterstützung angewiesen.
In Mödling, NÖ, steht ein solches Projekt nun auf der Kippe. Zwar konnte der Betrieb für das nächste Jahr gesichert werden, doch jetzt sucht der Waldkindergarten schlicht – einen Wald.
Seit 2019 durften die 15 Kinder der „Waldleos“ den Mödlinger Stadtwald ihren Gruppenraum nennen. Als Basisstation (siehe Zusatzbericht) für Jause und Co. nutzten sie eine Jagdhütte der Gemeinde, die diese her- und der Trägerverein eingerichtet hatte – das „Waldklassenzimmer“. Für extreme Wetterlagen gab es ein festes Quartier im Elternkind-Zentrum. Ein solches ist gesetzlich vorgeschrieben. Doch nun fallen beide Quartiere weg.

„Waldleos“-Initiatorin Julia Dorner vor der Kindergarten-Hütte
„Wir haben das Gefühl, wir sind nicht mehr gewünscht“, sagt Initiatorin Julia Dorner. Schon vor einem Jahr habe es erste Signale gegeben, dass die Gemeinde die Hütte auch für andere Kindergärten und Schulklassen nutzen wolle. Das bestätigt Forststadtrat Leo Lindebner (ÖVP). Es sei eine Widmungsfrage, meint er. Der Schuppen könne nur untergeordnet genutzt werden, nicht aber täglich, wie es nun der Fall war.
Dazu kommt, dass das Eltern-Kind-Zentrum Eigenbedarf für das „Waldleos“-Quartier angemeldet hat. „Das EKIZ war eine Notlösung, die zur Dauerlösung wurde“, sagt Lindebner dazu.
Bei der Gründung habe sich das noch anders angehört, meint Dorner. Tatsächlich gibt es einen Grundsatzbeschluss, der eine „Institutionalisierung“ des Waldkindergartens vorsah. Die Hütte sollte als Basisstation zur Verfügung gestellt werden, der Wald durfte täglich genutzt werden. Umfangreiche Förderungen wurden zugesagt.
Rechtliches
Rein rechtlich sind die Waldkindergärten keine Kindergärten. In NÖ etwa fallen sie unter das NÖ-Kinderbetreuungsgesetz. Werden sie genehmigt, sind auch Förderungen möglich. Es braucht hierbei aber eben ein fixes Quartier für Extremwetterlagen mit entsprechender Ausstattung. Allerdings gibt es in vielen Bundesländern auch rein privat organisierte Gruppen.
Datenlage
Zahlreiche Studien belegen die Vorteile von Betreuung in Waldkindergärten. Doch Vieles hält der empirischen Forschung nicht stand. Zum Beispiel wird nicht ausreichend berücksichtigt, dass es meist Kinder aus sozioökonomisch bessergestellten Familien sind, die einen Waldkindergarten besuchen. Und dass auch das familiäre Umfeld bei der Kindesentwicklung eine Rolle spielt.
Einen Widerspruch zu diesem Grundsatzbeschluss sieht Lindebner dennoch nicht. Der Waldkindergarten bleibe ja erhalten. Nur nicht für die „Waldleos“ sondern für (künftig ebenfalls geförderte) Ausflüge aller Kindergärten und Schulen. Zudem, betont der Stadtrat, habe es Probleme wegen der Sicherheit im Wald gegeben. So sei etwa trotz Waldbrandverordung Feuer gemacht worden.
Private Initiativen
Der Fall zeigt auf, wie schwierig die Führung von Waldkindergärten ist. Rund 30 solcher Einrichtungen gibt es in Österreich. Doch im Gesetz sei der Betrieb von diesen Institutionen, bei denen die Kinder ganzjährig im Freien sind, einfach nicht vorgesehen, erklärt Elementarpädagogin Barbara Laumer, die sich seit Jahren in dem Bereich engagiert. Dazu komme, dass die Genehmigungsvoraussetzungen in jedem Bundesland anders sind. In NÖ etwa gebe es keine Unterstützung seitens des Landes. Es sind deshalb fast immer private Initiativen, die Gruppen ins Leben rufen.
Sind sie als Tagesbetreuungseinrichtung genehmigt, gibt es zwar Förderungen, dennoch bleiben hohe Elternbeiträge. „Das macht sie zu sehr exklusiven Einrichtungen“, sagt Evelyn Sailer, Waldpädagogin und aktuell Fachberaterin der St. Nikolausstiftung.
Elemente kennenlernen
Für Verfechter der Waldkindergärten liegen die Vorteile auf der Hand. So würden die Kinder motorisch vom Aufenthalt im Wald profitieren, zudem gebe es zahlreiche Sinnesanregungen, weniger Konflikte, man würde die Elemente kennenlernen. Dazu gehöre eben auch Feuer.
„Auch sprachlich profitieren die Kinder, weil man Dinge, mit denen man spielt, erst benennen muss“, sagt Sailer. Zudem ist das Konzept des Waldkindergartens auch eng mit Umwelt- und Klimaschutz verbunden, weswegen die Nachfrage weiter zunimmt.
Auch Dorner hätte 30 „Waldleos“ unterbringen können. Stattdessen muss sie es nun bei täglichen Ausflügen in den Wald belassen – und hofft auf ein neues Grundstück.
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