Premiere in der Stadt der 60.000 Toten

Premiere in der Stadt der 60.000 Toten
"Tag der offenen Türe" in St. Pöltens Friedhöfen. Einziges nö. Krematorium boomt. Jährlich 1000 Einäscherungen.

Hereinspaziert" ist auf Magistrats-Wassergläsern aufgedruckt. "Wollen‘S an Kaffee und a Mehlspeis?" erkundigt sich Rathaussprecher Martin Koutny. "So etwas habe ich noch nie erlebt," berichtet Journalisten-Doyen Franz Inreiter, weit über 70. Eine Pressekonferenz in der Aufbahrungshalle. 2. Grund: Am Freitag ist erstmals "Tag der offenen Tür" in sieben St. Pöltener Friedhöfen.

Premiere in der Stadt der 60.000 Toten

"Wir wollen damit den Menschen die Scheu nehmen vor einem in unserer extrem diesseits bezogenen Gesellschaft oft verdrängten Thema" erklärt Stadtchef Matthias Stadler. "Niemand braucht Angst zu haben, mit etwas konfrontiert zu werden, das ihn emotional überfordert."

St. Pölten hat 52.000 Einwohner und 60.000 Verstorbene, die in 15.150 Gräbern ruhen. 2370 Gräber sind noch frei. Eine durchschnittliche "Leich‘" kostet 4500 Euro (wenn eine Grabstelle vorhanden ist). "Nach oben hin gibt es keine Grenzen. Außer jene der Pietät", weiß Stadtbestatter Josef Trümel. Auf Wunsch treten sogar Philharmoniker auf oder der Staatsopern-Chor.

Totendiamant

Einen regelrechten Boom erleben die Bestatter bei Einäscherungen. Im einzigen Krematorium von NÖ haben sich die Fallzahlen seit fünf Jahren auf rund 1000 jährlich (ein Drittel aus St. Pölten) fast verdoppelt. Das sei ein gesellschaftlicher Trend, heißt es. Bei 850 Grad werden die Toten eingeäschert. Dauer je nach Körperfülle bis zu 2,5 Stunden. Per BürgermeisterGenehmigung kann man Urnen daheim aufstellen. Trümel: "Wir bieten auch Sonderbestattungen an." Etwa, indem die Asche eines Verstorbenen in die Donau gestreut oder zum Diamanten gepresst (ab 5000 Euro) wird.

Zur Premiere treten am Hauptfriedhof Firmen und Institutionen rund um das Bestattungswesen mit Infoständen an. Dabei sind auch Pathologie-Primar Roland Sedivy mit einem Vortrag zum Thema "Der Detektiv mit dem Mikroskop" um 12 Uhr und die Wiener Bestattungslegende Julius Müller.

"Rückgängig machen können wir‘s nicht" sagt Trümel. "Aber die Leute sollen rausgehen und sagen, es ist uns geholfen worden."

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