Präsident Schultes: "Schlimmer wird’s nimmer"

Kammer-Präsident Hermann Schultes sieht das Ende der Talsohle erreicht.
Landwirtschaftskammer-Präsident Schultes sieht Ansätze mit Aussicht auf Besserung für die Bauern.

Jahrhundertfrost, Preisverfall, Hagelschäden und massive Ernteeinbußen – 2016 geht für die Bauern als fünftes Problemjahr in Folge in die Geschichte ein. "Schlimmer wird’s nimmer", ist Hermann Schultes, Präsident der niederösterreichischen und österreichischen Landwirtschaftskammer, überzeugt. Im KURIER-Interview spricht er über Preisdumping bei Milch und Schweinefleisch, die Sanktionen gegen Russland und ein geplantes "Lenkrad", das die Marktverhältnisse in ganz Europa besser stabilisieren soll.

KURIER: Ist in der heimischen Landwirtschaft die Talsohle erreicht, geht es aufwärts?

Schultes: Vier Jahre hintereinander mussten unsere Bauern jährlich mit einem wachsenden Minus leben. 2016 konnte die Verlustserie erstmals eingebremst werden. Die Statistik Austria rechnet in ihren Vorschätzungen mit einem Plus von nicht mehr als 1600 Euro, was knapp einem Viertel der Einkommensrückgänge entspricht. Bei einem Zehn-Jahres-Vergleich liegt das reale landwirtschaftliche Faktoreinkommen aber noch immer bei 12 Prozent unter dem Niveau von 2006.

Von einer Entspannung kann also noch nicht die Rede sein?

Die Lage ist weiterhin sehr angespannt. Je nach Größe der Milchbetriebe fängt unter günstigen Umständen ab 35 Cent pro Liter wieder das Leben an. Für die Herstellung bekamen die Bauern zuletzt nur ab 25 Cent. Auch die Preise für Ferkel, Schweine und Rinder sind schlecht. Ganz im Keller ist das Preisniveau beim Getreide. Gerne würde ich jetzt sagen, dass jetzt alles besser geworden ist. Aber schon heuer müssen wir ab Raffinerie mit doppelt so hohen Dieselpreisen rechnen, weil sich Russland mit den ölfördernden Ländern auf ein Drosseln der Ölmengen geeinigt hat.

Russland hat auf die Handelssanktionen der EU mit Gegensanktionen reagiert. Sind sie noch zielführend, wenn heimische Bauern darunter leiden?

Unsere Landwirte haben aufgrund der fehlenden russischen Kaufkraft zuletzt Verluste in Millionenhöhe erlitten. Es muss uns gelingen, dass wir wieder unsere Lebensmittel, die wegen der hohen Qualität gefragt sind, nach Russland liefern dürfen. Weil Putin einen höheren Ölpreis durchgesetzt hat, kehrt die Kaufkraft in Russland wieder zurück. So unglaublich das klingt, auch dank unserer Öl- und Gasmilliarden. Österreich ist gefordert, mit Moskau Lösungen zu finden.

Apropos Lösungen: Wie lässt sich nach dem Auslaufen der EU-Milchquoten für die Milchbauern die Situation verbessern, bevor weitere pleite gehen?

Klar ist, dass die Marktbereinigung über den Milchpreis, so wie es sich die Marktwirtschaftler erhofft hatten, nicht die Antwort sein darf. Schon Anfang 2016 habe ich in Brüssel darauf hingewiesen, dass es nötig ist, die kartellrechtlichen Bestimmungen aufzuheben, um sich bei der Produktionsmenge absprechen zu können. Tatsächlich ist das umgesetzt worden. So lässt sich durch eine freiwillige Liefereinschränkung ein höherer Milchpreis für die Bauern erzielen.

Es vergeht kein Jahr, in dem die Bauern nicht mit Naturkatastrophen konfrontiert sind. 2016 führten massive Unwetterschäden und der Jahrhundertfrost zu Ernteausfällen. Wie kann man die Bauern unterstützen?

Größere Ernten haben zuletzt gezeigt, dass sich die Wachstumsbedingungen in Österreich verbessert haben. Gleichzeitig müssen wir akzeptieren, dass es mehr Überschwemmungen und Dürrezeiten geben kann. Dafür wurde 2016 die Ernte-Risikoversicherung ausgebaut. Es gibt keinen Produktionszweig mehr, der ausgenommen ist. Ab sofort sind sogar die Wachauer Marillen versicherbar. Im Gegenzug wird es keine Soforthilfe mehr aus dem Katastrophenfonds geben können.

Eine Studie der Johannes Kepler-Universität in Linz besagt, dass in Österreich 21.000 neue Jobs geschaffen werden, wenn Konsumenten nur zehn Prozent mehr heimische Produkte kaufen. Welchen Appell möchten sie an die Kunden richten?

Die Konsumenten haben es in der Hand. Wer die Herkunft wertschätzt, kann sicher sein, dass unsere Produkte gentechnikfrei, nach den höchsten Standards erzeugt sind und jeder in der Produktionskette seine Rechnungen, Sozialabgaben und Steuern zahlen kann. Qualität, Genuss und Fairness sollten etwas wert sein. Jeder soll auch wissen, woher sein Essen kommt. Darauf wollen wir mit unserer Initiative "Gut zu wissen" hinweisen.

Sie wünschen sich 2017 ein "Lenkrad für die Agrarpolitik", um auf Entwicklungen schneller reagieren zu können. Wie kann das konkret aussehen?

Für die zukünftige EU-Agrarpolitik verlangen wir ein flexibles Marktsteuerungsinstrument, damit die Preise stabiler bleiben. Damit wir unsere Prioritäten Essen, Futter und Treibstoff auf jeden Fall einhalten können, muss ein Lenkrad her, das es möglich macht, je nach Ernte mehr oder weniger Getreide für die Treibstoffindustrie vorzusehen. Extreme Veränderungen schaden allen und sind zu vermeiden.

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