Ausstellung im Mamuz: Wie die Venus zur Ikone wurde

Die Entstehung der Venus von Willendorf liegt denkbar lange zurück, stammt sie doch aus der Altsteinzeit.
Und dennoch findet sich ihr Abbild auf einem Entwurf von Egon Schiele, der damit sein Atelier in der Wiener Wattmanngasse dekorieren wollte. 1918 stellte er sie auf Papier dar, vor einem gelben Hintergrund. Rund 29.400 Jahre liegen zwischen den beiden Ereignissen – und dennoch ist es nur eines von vielen Beispielen in der modernen Kunst, in denen die Venus als Inspiration herangezogen wurde.
Aufeinandertreffen von Urgeschichte und Gegenwart
Dieses Aufeinandertreffen von Urgeschichte und Gegenwart, von Kunst und Archäologie ist es, womit sich die neue Sonderausstellung im Mamuz in Asparn an der Zaya (Bezirk Mistelbach) beschäftigt. Ihr klingender Titel: „Die Sprache der Göttinnen“.
„Prinzipiell kann man die Archäologie mit allen möglichen Themen verbinden, weil sie ja den Anspruch hat, vergangene Wirklichkeiten abzubilden“, sagt Franz Pieler, wissenschaftlicher Leiter des Museums im Weinviertel. Im Vorjahr schlug man den Bogen zwischen der Wissenschaft und Comics, heuer hat man sich den urgeschichtlichen Frauendarstellungen in Kunst und Gegenwart angenommen. „Die Idee dazu ist bei einem Gespräch mit Elisabeth von Samsonow entstanden“, erzählt Pieler.

Hier ist man richtig: Besucher der Ausstellung werden von einem Gemälde empfangen
Zeugen der Zeit
Diese ist Künstlerin und Philosophin, als wissenschaftlicher Gegenpart steht ihr die Archäologin Katharina Rebay-Salisbury gegenüber. Die Ausstellung vereint urgeschichtliche Frauendarstellungen mit Skulpturen, Skizzen und Fotografien der modernen Kunst. Ziel ist es, die Relevanz der Archäologie für die heutige Zeit darzustellen.
Dabei spielen Funde aus Niederösterreich eine entscheidende Rolle: Neben der Venus von Willendorf, die als Replik gezeigt wird, sind Venus-Figuren aus Eggendorf, Falkenstein und Langenzersdorf sowie Menschenfiguren als Langenlebarn oder auch die Frauenkröte aus Maissau zu sehen. Wobei sich die Darstellung der Frauen im Verlauf der Geschichte entschieden änderte; schon zwischen den altsteinzeitlichen Figurinen und den jungsteinzeitlichen Artefakten liegen Welten, die die damalige Lebensrealität abbildet. So wurden die Menschen in der Jungsteinzeit sesshaft; die Verbindung zwischen Haus und Frau lässt sich anhand einiger Funde interpretieren.
Archäologie
Frauendarstellungen spielen in der Urgeschichte eine große Rolle, vor allem in der Steinzeit.
Die Venus von Willendorf wurde in NÖ gefunden. 29.500 Jahre nach ihrer Entstehung inspiriert sie noch immer.
Kunst
Mit der Entdeckung von Figurinen rund um 1900 ließen sich viele Künstler von den Darstellungen inspirieren.
Ausstellung
Die Ausstellung„Die Sprache der Göttinnen“ ist noch bis 30. November in Asparn an der Zaya zu sehen. Mehr Informationen
gibt es unter www.mamuz.at
„Auch aus der Eisenzeit gibt eine Menge an Figuren. Die Bronzezeit hingegen ist ein Phänomen; hier gibt es kaum Abbildungen von Lebewesen, offenbar war das über mehrere Hundert Jahre mit Tabu belegt“, erklärt Pieler. Stark vertreten waren die Figurinen dann wieder in der Hallstattkultur, wobei es auch viele männliche oder geschlechtslose Darstellungen gab. All dem stehen Werke von Egon Schiele, Judy Chicago, Meret Oppenheim und vielen anderen Künstlern gegenüber – eine Brücke zwischen den Zeitaltern.
„Figurinen erzählen die Geschichte anders, weiblich und wurden im 20. Jahrhundert zu wichtigen Motiven feministischer Kunst“, so Katharina Rebay-Salisbury. Tatsächlich beschäftigten sich um 1900 ganze Bücher mit der bildenden Kunst der Urgeschichte, vor allem, nachdem große Funde wie die Venus von Willendorf gelangen und weltbekannt wurden.

Die beiden Kuratorinnen Katharina Rebay-Salisbury (li.) und Elisabeth von Samsonow
Frauen und Kunst
Doch auch andere Skulpturen, die in Niederösterreich gefunden wurden, inspirierten Künstler rund um den Globus. Und sie tun es bis heute. „Diese Figuren haben im späten 20. Jahrhundert die internationale feministische Kunst auf maßgebliche Weise beeinflusst und dienen nach wie vor als Referenzen für die Herstellung und Wiederherstellung nicht nur einer weiblichen Kunstgeschichte, sondern eines weiblichen Subjekts in der Geschichte“, macht auch Elisabeth von Samsonow klar.
Zu sehen ist die kleine, aber feine Ausstellung noch bis 30. November, auch interaktive Elemente werden den Besuchern geboten. Maßgeblich beteiligt an der Umsetzung war auch das Archäologische Institut der Österreichischen Akadamie der Wissenschaften.
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