Geblitzt – aber zu Unrecht? Tempo-80-Zone auf der A21 wackelt

A21 bei Gießhübl
Fast 50.000 Radarstrafen werden pro Jahr auf der A21 bei Gießhübl registriert – doch plötzlich könnten 17 Meter alles ändern.

Mit knapp 50.000 Radarstrafen pro Jahr – so viele waren es im Jahr 2024 – gehört die A21 bei Gießhübl im Bezirk Mödling in Fahrtrichtung Linz zu den Top 5 jener Straßenabschnitte in Österreich, auf denen es am häufigsten „blitzt“.

Einer, den es im Tempo-80-Bereich ebenfalls erwischte, war Stefan A. (Name geändert). Er war mit 124 km/h deutlich zu schnell unterwegs und wurde von der Bezirkshauptmannschaft Mödling zu einer Geldstrafe von 350 Euro verurteilt. Ersatzweise hätte er für 64 Stunden ins Gefängnis gehen müssen.

Brisante Frage

Doch A. machte beides nicht: Weder zahlte er, noch ließ er sich einsperren – stattdessen legte er beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) Beschwerde ein. Diese führte nun zu einer rechtlich brisanten Frage: War die der Strafe zugrunde liegende Geschwindigkeitsbeschränkung überhaupt wirksam kundgemacht?

Verordnung

Die Tempo-80-Beschränkung auf der A21 zwischen den Anschlussstellen Brunn/Gebirge und Gießhübl geht auf eine Verordnung des damaligen Ministeriums für öffentliche Wirtschaft und Verkehr aus dem Jahr 1995 zurück. Ziel war es laut Verordnung, die „Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs“ zu gewährleisten und Anrainer vor Lärm zu schützen.

Für die Richtungsfahrbahn zur A1 ist darin ein exakt definierter Geltungsbereich festgelegt: von Kilometer 36,330 bis Kilometer 30,450. Nach den Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung müssen solche Verordnungen durch entsprechende Verkehrszeichen kundgemacht werden – und zwar dort, wo ihr räumlicher Geltungsbereich beginnt und endet.

Kontrolle per Messrad

Im Zuge des Beschwerdeverfahrens ließ das Landesverwaltungsgericht die konkrete Beschilderung vor Ort überprüfen. Die Asfinag musste mit einem geeichten Messrad ausrücken. Das Ergebnis: Das Verkehrszeichen, das das Ende der 80-km/h-Beschränkung anzeigen soll, steht bei Kilometer 30,433 – also um 17 Meter vor dem in der Verordnung genannten Endpunkt.

Was auf den ersten Blick nach einer geringfügigen Abweichung klingt, ist aus juristischer Sicht von erheblicher Bedeutung. 

Denn der Verfassungsgerichtshof hat in mehreren Erkenntnissen klargestellt, dass zwar keine „zentimetergenaue“ Aufstellung erforderlich ist, eine signifikante Abweichung jedoch einen Kundmachungsmangel darstellt. In einem vergleichbaren Fall wurde bereits eine Abweichung von 15 Metern als gesetzwidrig beurteilt.

VfGH ist nun am Zug

Für das Landesverwaltungsgericht ist die Verordnung deshalb von besonderer Bedeutung: Ohne sie hätte am Tatort die allgemeine Autobahn-Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h gegolten. Damit wäre Herr A. auch nicht zu schnell unterwegs gewesen.

Da Verwaltungsgerichte fehlerhafte Verordnungen nicht selbst aufheben dürfen, sondern sie im Zweifel vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) prüfen lassen müssen, hat das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich nun einen entsprechenden Antrag gestellt. Der VfGH soll klären, ob die Tempo-80-Regelung korrekt kundgemacht wurde oder zum Zeitpunkt der Strafe rechtlich überhaupt gegolten hat.

Die Entscheidung des VfGH könnte weit über den Einzelfall hinausreichen, deshalb wird sie auch mit großer Spannung erwartet. Sollte die beanstandete Bestimmung aufgehoben oder ihre Gesetzwidrigkeit festgestellt werden, könnten zahlreiche Verwaltungsstrafverfahren, die auf derselben Tempo-80-Regelung beruhen, rechtlich neu zu beurteilen sein.

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