Neustart der alten Weber

Webmeister Kurt Appel arbeitet seit mehr als vier Jahrzehnten in der Wirtex-Fertigung.
Textilbranche erholt sich. Sie setzt auf schonende Erzeugung und gewinnt so Kunden.

"Die Spannung ist am größten, wenn man die Webmaschine einschaltet und sehen kann, wie alles läuft", erklärt Produktionsleiter Kurt Appel: "Weil wir noch viel mit mechanischen Geräten erzeugen, braucht man Gefühl und Erfahrung für das Handwerk." Seit 43 Jahren ist Appel bei der Firma Wirtex in Frühwärts, Bezirk Waidhofen an der Thaya, beschäftigt und hat schon viele Höhen und Tiefen der einst blühenden Waldviertler Textilindustrie miterlebt. Hier hatten Dutzende Firmen ihre Werkshallen. Alleine Ergee beschäftigte in Schrems, Bezirk Gmünd, rund 1000 Mitarbeiter – fast ein Sechstel der Einwohner.

"Bei uns geht es immer wieder weiter", sagt der 62-Jährige im blauen Arbeitsmantel, der längst weiß, wie man mit Frust und Erfolg umgehen muss. Dass nach dem Niedergang namhafter Textilbetriebe nun ein Aufwind zu spüren ist, motiviert ihn besonders.

Die Kunden achten wieder auf Herkunft und Qualität, auf schonende Produktionsschritte und schätzen die Gelegenheit, selber die Rohstoffe in den Waldviertler Textilbetrieben prüfen zu können. "Wir interessieren uns dafür, wie die Hand- und Geschirrtücher hergestellt werden. So sehen wir, ob die Waren schonend und schadstoffarm produziert sind", erzählen die Besucherinnen Edeltraud Schnait und Maria Seierl, während sie bei Wirtex die Produktionswege sehen können: "Wenn wir davon überzeugt sind, sind wir auch bereit, mehr für die Produkte zu bezahlen."

Stoffqualität

Nur neun Kilometer weiter, bei der Firma Herka in Kautzen, Bezirk Waidhofen, lässt sich auch Rosalinde Steinberger von der Qualität überzeugen: "Ich greife nicht zu Billigprodukten aus Asien. Mir ist wichtig, dass ich mit dem Einkauf regionale Jobs sichern kann." So wie sie denken viele. "Wenn das Vertrauen in das Produkt da ist, kann es ruhig etwas teurer sein", erzählt Busunternehmer Ludwig Köchl, der mit seinen Fahrgästen Firmen besucht.

Daher will man mit dem Öffnen der Textilbetriebe einerseits die Kundenbindung stärken, andererseits die Zugkraft traditioneller Firmen touristisch besser nutzen (siehe Zusatzbericht unten). "Wir spüren, dass sich die Kunden immer mehr dafür interessieren, wie wir unsere Frottierwaren herstellen", sagt Thomas Pfeiffer, Chef der Firma Herka Frottier, die sich auf die Erzeugung von Werbe-Handtüchern spezialisiert hat.

Auch wenn aus der einst beherrschenden Sparte mit mehreren Tausend Arbeitsplätzen im Waldviertel eine Randerscheinung geworden ist, kann vom Sterben keine Rede mehr sein. Herka, Wirtex und Framsohn haben bereits neue Wachstumsmärkte gefunden und beschäftigen insgesamt mehr als 200 Mitarbeiter. "Wir legen Wert auf naturnahe und faire Erzeugung", beschreibt Philipp Schulner, Chef der Firma Framsohn in Heidenreichstein, Bezirk Gmünd, eine seiner neuen Marktnischen. Er hat kein Problem damit, seine Werkshallen für die Kundschaft zu öffnen. "Wir verbergen nichts", sagt Schulner.

Auch Claudia Strobl von der Firma Wirtex ist überzeugt, dass sich die Einstellung der Kunden gerade ändert und sie bewusst wieder öfters zu heimischen Produkten greifen: "Die wenigsten wissen, wie die Arbeit bei uns abläuft. Daher haben wir eine Erlebniswelt geschaffen." Die historischen Lochkarten, mit denen die Stoffe gewebt werden, sind zwar Teil der Ausstellung, kommen aber auch weiterhin ständig zum Einsatz: "Mit den mechanischen Geräten können wir Muster erzeugen, die mit modernen Maschinen gar nicht gelingen können", weiß Strobl.

Handwerk: Tourismus lockt Gäste in die Betriebe

Die Waldviertler Touristiker wollen das Potenzial traditioneller Handwerksbetriebe in Zukunft noch besser nutzen. Weil viele regionale Unternehmer altbekannte Techniken mit zeitgenössischen Innovationen verknüpfen, leben die Firmeneigentümer nicht nur von ihren Produkten, sondern auch von Kundenbesuchen. Sie genießen es, ihr Wissen mit Begeisterung an interessierte Gäste weiterzugeben.

Damit dieser Bereich stärker wachsen kann, hat die regionale Tourismusagentur „Destination Waldviertel“ die neue Initiative „Handwerk und Manufaktur – Entdecken. Ausprobieren. Erlernen“ ins Leben gerufen. Der Fokus liegt darin, einen informativen Wegweiser zu handwerklichen Aktivitäten in der Region zu schaffen. Insgesamt 29 Betriebe stehen in den traditionellen Produktionsbereichen Glas, Holz, Stein und Textil und anderen zur Auswahl.

Angeboten werden dabei nicht nur Betriebsführungen, sondern auch Tourismuspakete. In einem Paket sind beispielsweise zwei Nächtigungen in einem regionalen Beherbergungsbetrieb mit Frühstück, Besichtigungen, Ausflüge zu regionalen Attraktionen oder ein mehrgängiges Abendessen inkludiert. Andere Angebote beinhalten auch Workshops oder Kurse in den Betrieben. Buchungen sind über die Tourismusagentur möglich.

Internet: www.waldviertel.at

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