Effizienz und Synergien: Neue Chancen für 24-Stunden-Pflege

Bei der Altenpflege daheim soll durch neue gesetzliche Regelungen bei der 24-Stunden-Betreuung Entlastung geboten werden 
Vorzeigeprojekt in NÖ wird neues Gesetz zu Ganztagesbetreuung in der Altenpflege umsetzen. Einzelne 24-Stunden-Kräfte dürfen im Betreuten Wohnen mehrere Klienten gleichzeitig pflegen

Mitten im Zentrum, direkt neben dem Kaufhaus, der Kirche und dem Veranstaltungszentrum gut betreut die Tage im Alter zu genießen, hört sich nach dem Wunschtraum jedes Pensionisten an. Im kleinen Ort Reinsberg (Bezirk Scheibbs) soll diese Idylle verwirklicht werden. Ein seit Jahren verfolgtes Ortsentwicklungskonzept und gesetzliche Änderungen bei den Förderungen für die 24-Stunden-Betreuung und „Begleitetes Wohnen“ begünstigen nun ein Vorzeigeprojekt.

„Menschlich gesehen besonders ideal ist hier neben der absolut zentralen Lage der Seniorenwohnungen die Nachbarschaft zum Kindergarten. Da wird künftigen Bewohnern nebenan kontinuierlich lebendige Unterhaltung geboten“, betont VPNÖ-Sozialsprecher Toni Erber (ÖVP). Niederösterreichweit wird Reinsberg jedoch wegen des erstmalig hier geplanten Einsatzes von 24-Stunden-Pflegekräften, die gleichzeitig mehrere Klienten in einer organisierten Gemeinschaft betreuen, genau beobachtet.

Neue Betreuungsform

Das Bundesgesetz, das diese Betreuung erlaubt, ist erst seit 1. Juli in Kraft. Angesichts der hohen Kosten, die für Ganztagesbetreuung anfallen, schuf die Regierung jetzt die oft geforderte Möglichkeit der Mehrfachbetreuung. Aber auch der Pflegekräftemangel soll durch die neuen Bestimmungen entschärft werden. „Dennoch wird es notwendig werden, auch Pflegekräfte aus Drittstaaten von außerhalb der EU zuzulassen“, fordert Erber. In NÖ sollen laut Regierungsprogramm zum neuen „Betreuten Wohnen Plus“ mehrere Pilotprojekte kommen.

Effizienz und Synergien: Neue Chancen für 24-Stunden-Pflege

LAbg. Toni Erber und Reinsbergs Bürgermeister Franz Faschingleitner vor Plänen für die neue zentrale Wohnhausanlage

Auf die Erfahrungen, die man in Reinsberg beim Einsatz eines 24-Stunden-Betreuungspools gewinnen wird, warte man gespannt, so Erber. Doch man wird sich in Geduld üben müssen.

„Wir erhoffen den Baustart des Komplexes mit 24 Wohnungen noch im Herbst“, schildert Reinsbergs Bürgermeister Franz Faschingleitner (ÖVP). Neun Wohnungen werden für „Begleitetes Wohnen“ mit Gemeinschaftsraum und -küche reserviert. Zu Beginn sei es aber unwahrscheinlich, dass gleich 24-Stunden-Pflegefälle einziehen, so der Bürgermeister. Die Gemeinde wird die soziale Verwaltung des Grundbetreuungspakets und der Pflegedienste übernehmen.

Effizienz und Synergien: Neue Chancen für 24-Stunden-Pflege

Baustart für neue Anlage soll im Herbst sein

Errichten wird das Projekt die NÖ gemeinnützige Bau- und Siedlungsgenossenschaft (NBG). „In Reinsberg herrschen ideale Voraussetzungen und es lodert das Feuer für so Pilotvorhaben“, versichert NBG-Chef Martin Schuster.

Mehr Förderung, aber weniger Personal

Zwischen 2.970 Euro und 3.720 Euro – je nach Qualifikation der Betreuer oder Betreuerinnen – sind die monatlichen Kosten, die aufgewendet werden müssen, wenn man über einen Träger eine 24-Stunden-Betreuung in Anspruch nimmt. Dazu kommen weitere laufende Kosten. Summen, die selbst das Pflegegeld nicht abdecken kann.Und dennoch sind rund 30.000 Familien in Österreich auf diese Betreuungsform angewiesen. Erst im Frühjahr gab es daher einen Hilfeschrei der heimischen Sozialorganisationen. Seither hat sich zumindest auf finanzieller Ebene etwas bewegt. Insgesamt zwei Mal wurde die Förderung heuer erhöht. Mit 1. September stieg sie nun auf 800 Euro bei zwei selbstständigen und 1.600 Euro bei zwei unselbstständigen Personenbetreuern. Ab Pflegestufe 3 teilen sich der Bund und das Land NÖ die Kosten 60:40. Ausnahmen gibt es bei Demenzkranken. Hier übernimmt das Land bereits ab Pflegestufe 1 die gesamten Förderkosten.

In NÖ erhalten rund 9.000 Menschen geförderte  Unterstützung. Um den Pflegebedürftigen weiter zu entlasten, sollen sie ab Oktober ab Pflegestufe 3 einen Pflege-und Betreuungsscheck in der Höhe von 1.000 Euro pro Jahr erhalten.  47 Millionen Euro pro Jahr will das Land dafür in die Hand nehmen.

Inflationsanpassung

Bei der Caritas, einem der größten Anbieter für 24-Stunden-Betreuung, begrüßt man die Anhebung der Förderung. „Es ist die erste Inflationsanpassung seit 2007 und ein wichtiger und überfälliger Schritt. Gleichzeitig ist das eine einmalige Anpassung, eine automatische jährliche Valorisierung ist leider nicht vorgesehen“, bedauert Anna Parr, Generalsekretärin der Caritas Österreich. Das sei notwendig, um sie dauerhaft leistbar zu halten. Zudem sei es mit der Erhöhung nicht getan, so fordert die Organisation Verbesserungen bei der Förderung bei den Qualitätsvisiten.

Auch die Einkommensgrenzen bei den Pflegenden müsse auf 3.500 Euro erhöht werden. Generell müsse die 24-Stunden-Betreuung attraktiviert werden und auch mehr Rücksicht auf die Interessen  der Betreuer genommen werden. Denn deren Zahl sinkt. Nur noch 57.500 Menschen arbeiten in dem Feld. Vor Corona waren es noch rund 63.000. Auch die Fördermöglichkeiten im Pflegebereich müssten in allen Bundesländern angeglichen werden.

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