Nächster Großangriff der Ärztekammer

Szekeres, Reisner und Huber (v. li.)
Volksbegehren gegen Gesundheitsreform auf Schiene / Rettung will sich vor Kommerzialisierung schützen.

Unbesetzte Kassenplanstellen für Allgemeinmediziner und Fachärzte, überfüllte Spitalsambulanzen und Wartezimmer sowie Personalmangel in Spitälern und Pflegeheimen: Während die Regierung an neuen Strukturen für die "Großbaustelle Medizin" feilt, geht die Angst vor der Ausdünnung und Kommerzialisierung im Gesundheits- und Rettungswesen um. Einerseits, weil die Ärzte mit der Reform die "Demontage eines bewährten Systems" befürchten. Andererseits, weil das Rote Kreuz mit dem geplanten Bundesvergabegesetz (BVergG) um die lukrativen Krankentransporte bangt. Ärzte und Sanitäter wollen jetzt mit dem Druck der Bürger mehr Stabilität in der Medizin erzielen.

Die erste Hürde haben die Ärzte bereits übersprungen. Obwohl für das Durchführen eines Volksbegehrens nur 8401 Unterstützungserklärungen notwendig sind, konnte Christoph Reisner, Initiator und Präsident der nö. Ärztekammer, am Mittwoch die (vorläufige) Anzahl von 26.811 vermelden: "Ich war von Anfang an optimistisch. Dass die Unterstützung aber so gewaltig ist, damit habe auch ich nicht gerechnet."

Wahlen

Sobald alle Landesärztekammern in Österreich ihre bevorstehenden Wahlen abgewickelt haben, will Reisner nach den Protesten im Vorjahr – frühestens Ende Juni – beim Innenministerium das Volksbegehren "SOS Medizin" beantragen. "Unser Ziel liegt darin, die Patienten vor diesem Radikalumbau des Gesundheitssystems zu warnen", sagt Josef Huber, Präsident der Kärntner Ärztekammer, der Reisners Initiative vom ersten Tag weg unterstützt. Sollten Kassenstellen im Umkreis von geplanten Versorgungseinheiten gestrichen werden, so wie es die Politik – mithilfe der 15a-Vereinbarung – plane, bedeute das für die Menschen auf dem Land längere Anfahrtswege zum Arzt ihres Vertrauens. "Seit vielen Jahren tut die Politik nichts, um die Arbeit der niedergelassenen Mediziner attraktiver zu machen. Die ausufernde Bürokratie, Leistungslimitierungen und die ständige Zunahme an Regulierungen machen uns das Leben schwer", betont Huber.

Forderungen

Auch die Ärztekammer Wien unterstützt bereits das Volksbegehren. "Gerade in Zeiten, in denen das Gesundheitssystem abgebaut wird und die Wartezeiten in den Spitälern länger werden, ist es wichtig, dass die Patienten rasch Behandungsalternativen finden", sagt Thomas Szekeres, Präsident der Wiener Ärztekammer. Deshalb sei die Abschaffung der Wahlarztkosten-Rückerstattung eine äußerst unsoziale Maßnahme.

Das geplante Volksbegehren soll jetzt helfen, mehrere Forderungen der Ärzte im Bundesgesetz festzuschreiben: Dazu zählen der Erhalt ärztlicher Einzel- und Gruppenordinationen, Erhalt der Arbeitszeitenhöchstgrenzen für Spitalsärzte, die Kostenerstattung von Wahlarzthonoraren sowie direkte Medikamentenabgabe in Einzelfällen durch Praktiker. Mindestens 100.000 Unterstützer sind notwendig, damit sich der Nationalrat mit diesem Thema auseinandersetzt.

Rettungswesen

Nächster Großangriff der Ärztekammer
Österreich, Tulln, September 2015. Der Rettungsdienst ist der größte Leistungsbereich im Österreichischen Roten Kreuz und umfasst die Notfallrettung, also die zeitkritische Versorgung von Notfallpatientinnen und -patienten, und den Sanitätseinsatz. Mehr als 38.959 Freiwillige (Stand 2014) stehen allein im Rettungsdienst bereit, um zu helfen: bei Unfällen, medizinischen Notfällen und bei der Betreuung von erkrankten oder verletzten Menschen – 24 Stunden täglich, 365 Tage im Jahr! Querformat.
Ähnlich wie die Mediziner wollen auch die Sanitäter öffentlichen Druck aufbauen, um mit einer aktuellen Petition die Kommerzialisierung des Rettungswesens zu verhindern. Das Rote Kreuz befürchtet, dass Bereiche seines vierteiligen Rettungsverbundsystems – Notarztwesen, Rettungsdienst, Kranken- und Ambulanztransporte – ausgeschrieben werden und dafür kommerzielle Anbieter zum Zug kommen könnten. Der Grund liegt im neuen Bundesvergabegesetz verborgen, in dessen Entwurf das Rettungswesen nur schwammig definiert sei.

"Die Daseinsvorsorge steht auf dem Spiel. Es kann nicht sein, dass lukrative Teile des Rettungsdienstes – wie etwa planbare Krankentransporte – privatisiert werden, während Freiwillige für Großschadensereignisse bereit stehen und die teure Notfallrettung öffentlich finanziert werden müssen", sagt Bundesrettungskommandant Gerry Foitik. Er fordert, dass das Verbundsystem in einer Hand bleibt, da sich verschiedene Teile gegenseitig organisatorisch stützen.

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