Nach Freispruch wartet nun der Abschiebeflieger

Symbolbild aus Deutschland
Ein Flüchtling wird in Prozess um eine Vergewaltigung im Zweifel freigesprochen. Dann bekam der Fall eine politische Dimension.

315 Tage befand sich Amit S. (Name geändert, Anm.) in Untersuchungshaft. Am 27. März 2018 verließ der Afghane das Gefängnis in St. Pölten in Niederösterreich als freier Mann. Stunden zuvor waren ein Somalier und er in einem österreichweit aufsehenerregenden Prozess im Zweifel von jeder Schuld freigesprochen worden. Doch dies sollte sich als Beginn einer Causa mit vielen Wendungen darstellen.

Rückblick: Die Vorwürfe gegen die beiden Flüchtlinge hatten wochenlang für Schlagzeilen gesorgt. Sie standen im Verdacht, ein 15-jähriges Mädchen in der Nähe eine Asylheimes in Tulln mehrfach vergewaltigt zu haben. Auf der Hose des angeblichen Opfers wurden Spermaspuren gefunden, nach dem größten DNA-Test in der Geschichte des Landes wurden die Flüchtlinge festgenommen.

Von Anfang an beteuerten S. und der Somalier ihre Unschuld. Sie sprachen von „einvernehmlichem Sex“, ein Schöffengericht teilte die Version. Der Freispruch half Amit S. allerdings nicht viel, denn plötzlich bekam der Fall eine politische Dimension. Der niederösterreichische FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl sprach von einem „Skandalurteil“ und betonte: „Es sieht danach aus, als wären unsere Landsleute vor der Justiz benachteiligt gegenüber Zuwanderern.“

Die Folge war, dass nach der Haft die Grundversorgung nicht fortgeführt wurde, wie es aber eigentlich gesetzlich vorgesehen wäre. Anwältin Andrea Schmidt wurde mitgeteilt, dass es sich um einen „Dublin-Fall“ (hätte Asylantrag in einem anderen Land gestellt) handeln würde. „Seltsam war, dass meinem Mandanten dann aber ein Abschiebebescheid zugestellt wurde, obwohl bei einem Dublin-Fall ja die Zuständigkeit bei einem anderen Land liegt“, sagt Schmidt. Vor ein paar Tagen meldete sich das Land Salzburg und sagte dem Afghanen eine Herberge sowie Grundversorgung zu. Die Freude währte bei ihm nur zwei Tage. Am Donnerstag wurde S. von der Polizei abgeholt und nach Wien gebracht.

Heute, Freitag, soll er der Botschaft vorgeführt werden, dann könnte er schon im nächsten Flieger Richtung Afghanistan sitzen. Beim Verfassungsgerichtshof wurde von Anwältin Michaela Krömer Beschwerde eingelegt, zudem einen Antrag auf Haftentschädigung  eingereicht. Derzeit sieht es aber danach aus, dass Amit S. das Geld in sein Heimatland überwiesen werden muss

 

Entschädigung: Das Gesetz zur  Haftentschädigung  wurde  2005 novelliert. Seitdem haben rechtskräftig freigesprochene Angeklagte auch dann Anspruch auf Entschädigung, wenn der Freispruch im Zweifel erfolgte, wie im Fall aus Tulln. Einklagbar sind  der tatsächlich erlittene materielle Schaden und Schmerzensgeld zur Abgeltung immaterieller Schäden.  2011 wurde die Höhe  von 100 Euro auf 20 bis 50 Euro pro Tag reduziert. 

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