Krank in der Osterwoche
Die entscheidende Wende war in der Osterwoche, die mit dem Karfreitag vor allem für die Evangelische Kirche eine entscheidende Woche ist. Müller-Marienburg: „In der Osterwoche bin ich krank geworden, nachdem alle meine Gottesdienste eigentlich vorbereitet waren und ich nur noch hätte rausgehen müssen, um die schönen Karfreitags- und Ostergottesdienste zu feiern. Das war mir zu Weihnachten auch schon passiert. Da habe ich mir gedacht, der Körper will mir etwas mitteilen. Der will mir mitteilen, dass es einfach nimmer geht.“ Darauf folgten ein langer Krankenstand, eine Reha-Zeit in Gars am Kamp im Waldviertel und schließlich die Entscheidung, das Amt des Superintendenten zurückzulegen.
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„Ich hatte darüber nachgedacht, ob ich mein Leben so weiter gestalten kann. Ob es auch möglich ist, mit dieser großen Aufgabe eines Superintendenten da gesund und fröhlich und mit Lebensqualität zu leben. Und dann habe ich eben die Entscheidung getroffen, das nicht weiterzumachen, weil ich eben nicht glaube, dass es möglich ist. Zumindest nicht zum jetzigen Zeitpunkt“, sagt er.
Es dürfte wohl auch etwas mit seinem Job zu tun gehabt haben. Lars Müller-Marienburg hatte seine seelsorgerische Tätigkeit in den Pfarrgemeinden begonnen. Das wäre auch anstrengend gewesen, aber mit viel mehr Feedback, sagt er. Und: „Es gab da oft Dinge, die mir einfach wirklich Spaß gemacht haben. Ich habe erfolgreich unterrichtet, konnte mit Jugendlichen, die sich auf die Konfirmation vorbereitet haben, unterwegs sein. Es gab immer Elemente, wo ich gedacht habe, das war cool, das hat sich jetzt echt gelohnt.“
Als Superintendent würde man sehr viel Zeit in Gremiensitzungen verbringen, „wo ich dieses unmittelbare Feedback dann nicht habe“. Natürlich wäre das alles wichtig und bedeutungsvoll gewesen, was da besprochen worden ist. „Aber leider ist meine Persönlichkeit einfach so, dass ich auch ein direktes Feedback im Miteinander brauche, als in einem Apparat zu arbeiten. Und deshalb wünsche ich mir auch, dass mir jemand nachfolgt, der eben auch das gerne und gut macht und daran auch Freude hat. Das wäre für alle sehr gut“, sagt Müller-Marienburg.
Dass sich kirchliche Mitarbeiter – vor allem in Führungspositionen – ein Burnout eingestehen, ist sehr selten. Meist wird da abseits der Medizin der Glaube als Rückhalt gesehen, um aus so einer Phase zu kommen. Auf der anderen Seite könnte es auch sein, dass so eine schwierige Situation dazu führt, am Glauben zu zweifeln.
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„Keine Glaubenskrise“
Lars Müller-Marienburg hat da für sich eine eindeutige Antwort gefunden: „Es war keine Glaubenskrise, da bin ich auch total froh. Ich bin voll überzeugt, dass Gott da ist und die Menschen und mich liebt. Ich musste natürlich meine eigene Berufung ein bisschen in Frage stellen, ob diese zum Beispiel etwas mit einer Karriere zu tun hat.“ Er habe es zwischenzeitlich auch ausprobiert, ob und wie gerne er noch in der Evangelischen Kirche tätig ist. Lars Müller-Marienburg: „Ich bin weiterhin total gern in Gottesdiensten, predige gerne, feiere gerne mit den Menschen. Und ich glaube, das ist weiterhin meine Berufung.“ Er will auch den Status eines Pfarrers behalten, um etwa Sakramente spenden zu können.
Reaktion der Familie
Die Entscheidung, das Amt des Superintendenten zurückzulegen, war natürlich auch für das engste Umfeld belastend. „Für meine Familie war es einerseits natürlich schockierend, weil immer auch die Frage der Finanzen im Raum steht, ob ich überhaupt noch durchkomme. Gleichzeitig haben die ja auch gesehen, dass es mir in letzter Zeit nicht gut gegangen ist“, sagt Müller-Marienburg. Seine engsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten sich gerne eine andere Entscheidung gewünscht. Aber: „Sie waren auch nicht überrascht, weil sie eben gemerkt haben, ich werde ungeduldiger, ich werde unzufriedener. Und in Wahrheit wird dann auch meine Tätigkeit schlechter. Deshalb haben sie es bedauert, aber auch verstanden.“
Die nächsten Lebensschritte für Lars Müller-Marienburg sind jedenfalls schon vorgegeben. Zuerst muss er seine Dienstwohnung räumen, danach will er auf eine große Reise gehen.
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