Trotz Öffis: Warum es immer mehr Autos in Niederösterreich gibt
Die Schere zwischen Niederösterreichs Städten und den ländlichen Bezirken - vor allem im Waldviertel - geht beim Autobesitz immer weiter auseinander. Eine aktuelle Analyse des Verkehrsclub Österreich (VCÖ) auf Basis von Daten der Statistik Austria zeigt: Pro 1.000 Einwohnern sind in Wiener Neustadt 562 Pkw, in St. Pölten 575 und in Krems 590 Pkw registriert.
Im Bezirk Waidhofen an der Thaya sind es hingegen bereits 775 Fahrzeuge pro 1.000 Personen, im Bezirk Zwettl 748, in den Bezirken Gmünd und Horn jeweils 736 Pkw. Und während in St. Pölten die Anzahl der Pkw pro 1.000 Personen im Vorjahr zurückgegangen ist, ist sie in den Waldviertler Bezirken weiter gestiegen.
Aber auch in den Bezirken Krems Land und Mistelbach liegt die Zahl bei jeweils 705 Pkw pro 1.000 Personen. Damit gibt es erstmals in Niederösterreich bereits sechs Bezirke mit mehr als 700 Pkw pro 1.000 Personen.
"Fehler der Vergangenheit"
Das war nicht immer so. Noch im Jahr 1980 gab es in Niederösterreich mit 307 Pkw pro 1.000 Einwohnern weniger Autos als in Wien, wie VCÖ-Experte Michael Schwendinger betont. Heute kommen in Niederösterreich mit 662 um 80 Prozent mehr Autos auf 1.000 Personen als in Wien.
"Fehler der Vergangenheit rächen sich heute", bilanziert Schwendinger. "Massive Zersiedelung mit dem folgenden Niedergang der Nahversorgung und das Schrumpfen des Regionalbahnnetzes haben in den Regionen zu teurer Autoabhängigkeit geführt." Eine Trendwende sei jedoch möglich, ist er überzeugt: "Die Autoabhängigkeit kann reduziert und die Freiheit in der Verkehrsmittelwahl erhöht werden."
Eine zentrale Rolle spiele dabei Raumordnung und Siedlungsentwicklung. "Statt Zersiedelung braucht es die Stärkung der Ortskerne, statt Supermärkte und Einkaufszentren weit außerhalb der Ortskerne auf der grünen Wiese sind Geschäfte vor allem dort zu errichten, wo sie von einem größeren Teil der Bevölkerung fußläufig erreichbar sind", appelliert Schwendinger. "Die Stärkung der Ortskerne reduziert nicht nur die Abhängigkeit vom Auto, sondern belebt auch die Gemeinde."
Kostenfrage Öffentlicher Verkehr
Kompakte Siedlungsstrukturen würden auch die Versorgung der Bevölkerung mit einem guten öffentlichen Verkehrsangebot erleichtern, sagt der VCÖ-Experte. "Mehr Bahn- und Busverbindungen ermöglichen mehr Personen den Umstieg vom Auto auf den Öffentlichen Verkehr, was wiederum die Kosten für die Haushalte deutlich senkt."
So könne man etwa mit dem VOR-Klimaticket Region um 533 Euro ein Jahr lang den Öffentlichen Verkehr im Land nutzen. "Legt man das amtliche Kilometergeld zugrunde, kommt man mit dem Auto mit 533 Euro nur knapp mehr als 1.000 Kilometer, was nicht einmal einem Monat Autofahren entspricht", verdeutlicht Schwendinger.
1. Wiener Neustadt: 562 (559)
2. St. Pölten: 575 (576)
3. Krems an der Donau: 590 (589)
4. Bezirk Bruck an der Leitha: 624 (619)
5. Bezirk Baden: 635 (627)
6. Bezirk Tulln: 640 (637)
7. Waidhofen an der Ybbs: 642 (631)
8. Bezirk St. Pölten Land: 649 (644)
9 Bezirk Gänserndorf: 653 (647)
10. Bezirk Lilienfeld: 654 (647)
11. Bezirk Korneuburg: 655 (651)
12. Bezirk Scheibbs: 668 (661)
13. Bezirk Amstetten: 674 (667)
14. Bezirk Neunkirchen: 675 (669)
15. Bezirk Wr. Neustadt Land: 681 (672)
16. Bezirk Melk: 683 (676)
17. Bezirk Mödling: 683 (680)
18. Bezirk Hollabrunn: 691 (683)
19. Bezirk Krems Land: 705 (697)
20. Bezirk Mistelbach: 705 (697)
21. Bezirk Gmünd: 736 (727)
22. Bezirk Horn: 736 (727)
23. Bezirk Zwettl: 748 (741)
24. Bezirk Waidhofen an der Thaya: 775 (767)
Niederösterreich: 662 (657)
Quelle: Statistik Austria, VCÖ 2025
Auch in den Regionen gebe es viele kurze Wege unter fünf Kilometer. "Eine Distanz, die viele mit dem Rad fahren können, vorausgesetzt es gibt eine gute Radinfrastruktur", erklärt er. "Und die Elektrofahrräder, die in Niederösterreich bereits weit verbreitet sind, ermöglichen es, auch längere Distanzen und Steigungen gut zu bewältigen". So sei der Ausbau der Radinfrastruktur und das Schließen von Lücken im Radwegenetz "eine weitere zentrale Maßnahme, damit die Bevölkerung weniger aufs Auto angewiesen ist".
"Stehzeuge"
Vermehrte Carsharing-Angebote in den Gemeinden könnten wiederum zahlreichen Haushalten ein Zweitauto ersparen. "Im Schnitt sind gerade Zweitautos weniger als eine Stunde am Tag im Einsatz und sind mehr als 23 Stunden am Tag keine Fahrzeuge, sondern Stehzeuge", macht Michael Schwendinger deutlich.
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